Bis ich dir verfalle: Erotische Vampirstorys (German Edition)
Ich kann mir gut vorstellen, wie er seine Zähne in den weichen, geschwollenen Körpern vergräbt und das geerntete Blut in Strömen aus den Blutegeln fließt und über sein Kinn tropft. Er hat ein sehr markantes Kinn. Aber an ihm ist im Grunde alles ausgeprägt. Von seinen seelenlosen Augen bis zu seinen Mänteln, die an einen Zauberer erinnern. Sein Schädel ist glattrasiert, über die Kopfhaut ziehen sich Tätowierungen. Jede dunkle Tintenlinie hat sich mir ins Gehirn gebrannt. Ich sehe die Linien im Schlaf. Ich werde nie eine davon vergessen.
Ich werde ihm nie vergeben.
Er hat mir etwas so Wertvolles gestohlen, sodass ich selbst nach einem Jahr intensiver Trauer nicht daran denken kann, ohne dass sich ein dicker Klumpen in meiner Kehle ballt und der Schmerz meines Verlusts prickelnd über meine Haut kriecht. Ich schüttle die Erinnerungen ab. Heute muss ich mich auf mein Ziel konzentrieren. Nur dann werde ich Erfolg haben und ihm etwas ebenso Wertvolles nehmen können.
Jadegrüne Blumen mit obszön pinkfarbenen Zungen in der Mitte ranken sich an der Wand der Treppe empor. Ich eile zwei Treppen hinauf und erreiche eine Stelle, an der der Teppich durchgewetzt ist. Hier beginnen die Probleme. Zuerst höre ich einen Gong. Der metallische Klang dröhnt durch den Nikotinnebel, der das ganze Gebäudeinnere einhüllt. Unzählige Gestalten erscheinen auf den verschiedenen Treppenabsätzen. Ich habe keine Zeit, sie zu zählen. Die ersten drei liegen tot neben mir, und ein vierter liegt mit zerschmettertem Schädel neben der Kellertür, ehe einer von ihnen »Halt!« rufen kann.
Als sie ihre Messer und Waffen auf mich richten, breitet sich auf meinem Gesicht ein gezwungenes Lächeln aus. Ich kann einige von diesen Typen in den Arsch treten, aber ich kenne meine Grenzen. Dreißig auf einmal kann ich nicht außer Gefecht setzen, ohne das Gebäude in die Luft zu jagen. Und das wäre meinem Vorhaben nicht dienlich. Stattdessen erlaube ich ihnen, mich zu umringen und gefangen zu nehmen. Ich habe die leise Ahnung, dass ich mit diesem kooperativen Verhalten schneller dorthin gelange, wo ich hinmöchte, als wenn ich mir den Weg freikämpfe. Keiner dieser Männer ist in der Lage, selbst zu denken. Es gibt anscheinend den Befehl, Eindringlinge direkt zum Anführer zu bringen.
Sie schwärmen um mich herum aus. Eine Horde schwarzer Käfer mit Schalen aus Leder. Kurz fühle ich mich geradezu königlich, weil ich von einer Ehrengarde umgeben bin. Man muss jedoch dazu sagen, dass diese Wesen keine Ehre im Leib haben. Sie sind wie Arbeitsdronen jeglicher Individualität beraubt und nur darauf programmiert, Befehle auszuführen. Sie sollen ihren Meister beschützen oder sterben.
»El Alquimista heißt dich willkommen, Señorita«, keckert ein Mann, als wir die fünfte Etage erreichen. Seine abgearbeitete, raue Hand schließt sich um mein Handgelenk, und seine Finger graben sich tief in die Haut. »Er hungert nach der Schwärze, die du in deiner Seele verbirgst.«
Ich erstarre bei dieser Berührung und begegne seinem Blick. »Ich trage keine Falschheit in mir.«
Gott, wie sehr ich diese Kreatur bemitleide. Er ist kein Mann mehr, sondern nur die leere Hülle eines Mannes. Einst war er bestimmt ein hübscher Kerl. Ein goldener, strahlender Engel. Die verdorbene Chemie des Alchimisten kann nicht sämtliche Schönheit aus einem Körper tilgen. Seine Augen sind von einem herrlichen Türkis, das mich an eine idyllische, paradiesische Lagune denken lässt. Aber diese Augen sind tot. Die Leere darin lässt mich erschauern. In ihm ist keine Seele mehr. Der Alchemist hat ihn seines Geistes vollständig beraubt, mit jedem Tropfen Blut, das er von ihm trank, hat er ihn nach und nach entleert.
Ich frage mich nur kurz, ob dieser Mann ein Liebchen hatte, ehe er sich seinem Meister unterwarf? War sie so jung und hübsch, wie er einst gewesen ist? Haben sie sich im Park getroffen und zusammen in Cafés gesessen? Haben sie eine gemeinsame Zukunft geplant? Eine gemeinsame Hypothek, Kinder, die Rente? Reisen, die für ein ganzes Leben reichten? Urlaub im Schnee, Skifahren, Spaziergänge am Strand und Surfen ...
»Wenn man aus Rache mordet, ist es immer noch Mord«, sagt mein Bewacher. Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich zu sehen, wie Schmerz seine hohlen Gesichtszüge verzerrt. Ich frage mich, ob er auch so herkam wie ich. Ob er Vergeltung gesucht hat. Ist seine Versklavung der Preis, den er für seine Dummheit gezahlt hat?
»Man kann
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