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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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geredet. Es ist sehr seltsam dort in seiner Wohnung. Überall brennen Räucherstäbchen. Er hat einen Assistenten oder Leibwächter, ein äußert unangenehmer Typ, die beiden verständigen sich über eine Art Polizei-Funksprechgerät zwischen Zimmer und Küche. Das ist komisch und auch irgendwie unheimlich. ›Hörst du mich? Empfang!‹ Außerdem hat er einen schwarzen Pudel, der ist beinaheso alt wie er und schon fast kahl. Er heißt Adam und ist der Sympathischste von den dreien.«
    Ihre Mutter runzelte plötzlich die Stirn und ging rasch hinaus.
    »Mama!«, rief Sofja erstaunt.
    Keine Antwort. Sofja trank ihren Kaffee aus und nahm die Tickets aus dem Umschlag. Tatsächlich – Businessclass. Und ein Umschlag mit Geld. Zehn Hundert-Euro-Scheine.
    »Mama, haben sie gesagt, ob ich am Flughafen abgeholt werde?«, rief Sofja.
    Wieder keine Antwort. Nur das Geräusch laufenden Wassers. Auf der Wanne lag ein Brett, darauf stand eine Schüssel.
    »Was machst du da, Mama?«
    »Ich wasche. Eure Waschmaschine ist kaputt, und du hast nichts Sauberes mehr.«
    »Aber das kann man doch in die Wäscherei oder in die chemische Reinigung geben, Papa hat das immer gemacht.«
    »In die Reinigung? Du fliegst übermorgen!«
    Die Mutter wusch verbissen weiter, ohne Sofja anzusehen.
    Die Schüssel kippte vom Brett in die Wanne. Seifenlauge schwappte über die Mutter, Sofja nahm ein Handtuch, trocknete ihr das Gesicht ab und spürte plötzlich, dass die Schultern ihrer Mutter bebten.
    »Ich habe große Angst um dich, Sofie. Dabei ist alles wunderbar, ich sollte mich für dich freuen, trotzdem habe ich Angst.«
    »Aber Mama, was hast du?« Sofja küsste sie auf die nassen Augen und Wangen und bemerkte, dass die Narbe auf ihrer Wange gerötet und geschwollen war. »Ich bleibe einfach hier, ja? Und du fliegst nicht nach Sydney, ja? Du suchst dir hier Arbeit, und dein Roger wird ab und zu herkommen.«
    Die Mutter wusch sich, richtete sich vorm Spiegel das Haar und legte eine Strähne über die Narbe.
    »Red keinen Unsinn. Ich weine gar nicht. Ich habe Seife indie Augen bekommen. Du fliegst nach Deutschland, das ist deine Chance. Ich finde hier keine Arbeit. Und Roger kann uns nicht besuchen kommen, er hat schwere Arthritis, er ist vollkommen hilflos ohne mich. Und du tu was Nützliches, sieh deine Sachen durch und überlege, was du mitnimmst und was du noch kaufen musst.«
    Sofja ging in ihr Zimmer, öffnete den Schrank und sah mechanisch ihre Sachen durch, ließ aber bald davon ab, setzte sich auf den Fußboden, zündete sich eine Zigarette an und betrachtete zerstreut die Bücherregale. Ihr Blick blieb an einem dünnen Buchrücken hängen.
    Ljubow Sharskaja. Begegnungen und Trennungen .
    Diese Erinnerungen einer Dramatikerin, einer Freundin von Sweschnikow, hatte Nolik ihr vor fünf Jahren zum Geburtstag geschenkt. Schon in ihrer Jugend hatte er Sofjas Interesse für Memoiren geweckt; er selbst las neben historischen Büchern über Kriege nichts anderes. »Du interessierst dich doch für Professor Sweschnikow. Hier, diese Sharskaja hat ihn gut gekannt.«
    Die Memoiren waren überspannt und affektiert geschrieben. Der Stil nervte, aber das Buch enthielt viele interessante Details. Die Boheme von Moskau, kleine Theater, Dichterabende, die angespannte Atmosphäre des Jahres 1916, schicksalhafte Affären, ein Hang zur Mystik, Verachtung für alles Normale, Alltägliche.
    Nolik hatte gesagt, diese Memoiren seien bereits in der Sowjetunion einmal erschienen, aber mit starken Kürzungen von der Zensur. Komplett gestrichen worden sei zum Beispiel das Kapitel über Sweschnikow, obwohl es nichts ideologisch Gefährliches enthielt. Dies sei nun die vollständige, ungekürzte Ausgabe.
    Noch bevor Sofja das Buch aufschlug, wusste sie, warum ihrAgapkins Versprecher beim Namen ihres Vaters keine Ruhe ließ. Die Dramatikerin erwähnte mehrfach einen »älteren Verehrer Tanjas, der blutjungen Tochter des Professors«, einen Oberst Pawel Nikolajewitsch Danilow.
    »Niemand verstand, warum die schöne und eigensinnige Tanja so wohlwollend auf das langweilige Werben dieses Danilow reagierte, eines primitiven, ungeschliffenen Militärs. Was fand sie nur an ihm? Fjodor Agapkin war unsterblich in sie verliebt, das sah jeder, doch sie schien es gar nicht zu bemerken und verachtete ihn. Fjodor kam aus einfachen Verhältnissen, seine Mutter war wohl gar Wäscherin, was er verbarg. Ein ehrgeiziger und leicht reizbarer Mann, der alles aus eigener Kraft erreicht hat.

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