Bis in alle Ewigkeit
Labor, Versuchstiere. Und schließlich freiwillige Versuchspersonen. Ohne die ging es nicht, und das war teuer.
Melnik war auch deshalb nervös, weil wertvolle Zeit verlorenging. Seine Sorge galt nicht dem Präparat, er wusste längst, woraus es bestand, und auch, dass es unbegrenzt haltbar war. Aber der Enkel war alt, es war also Eile geboten.
Kurz bevor Subow aufgetaucht war, hatte Agapkin wieder einmal eine neue Idee. Eines Tages sagte er: »Angenommen, du findest das Präparat und bekommst es. Ist dir klar, dass du noch eine Menge Arbeit vor dir hast?«
»Natürlich.« Melnik nickte. »Ich weiß, das kann Jahre dauern.«
»Allein schaffst du das nicht«, fuhr der Alte in seiner üblichen Art, mit quälenden Pausen, Gemümmel und Schniefen, fort. »Ein Labor und Geld, das ist wunderbar. Aber du brauchst auch Leute.«
»Versuchspersonen?«, fragte Melnik vorsichtig.
»Nein. Das meine ich nicht.« Der Alte verzog das Gesicht und schnäuzte sich umständlich und geräuschvoll. »Für den Anfang tun es auch Ratten. Aber du brauchst ein Team, das meine ich. Eine Gruppe. Verstehst du?«
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
»Daran gedacht! Auch daran, dass du nicht gleich mehrere Leute einbeziehen darfst? Das wäre zu gefährlich! Das hießeInformationslecks, Streit, Konkurrenz. Das Ganze ist zu verlockend.«
»Und was tun?«, fragte Melnik, dem klar war, dass der Alte recht hatte.
Wieder folgte eine Pause. Der Alte saß mit geschlossenen Augen da und kraulte seinen schwarzen Pudel am Ohr. Seine Pflegerin, eine energische Riesin um die vierzig, brachte Tee. Agapkin hob leicht die Augenbrauen und tadelte sie langatmig, es seien nicht die richtigen Tassen und der Honig sei verzuckert. Melnik wartete geduldig. Erst als die Riesin die Tassen ausgewechselt und neuen Honig gebracht hatte, geruhte der Alte zu sprechen.
»In der ersten, wichtigsten Phase brauchst du nur eine Person, einen einzigen Assistenten. Einen absolut treuen, verlässlichen Profi. Hast du so jemanden?«
»Selbstverständlich«, antwortete Melnik, ohne nachzudenken.
»Bring ihn her. Ich möchte ihn mir ansehen.«
Melnik zuckte zusammen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte an keine konkrete Person gedacht, es dem alten Mann nur recht machen wollen. Er war ratlos, er hatte nie darüber nachgedacht, dass er einen Assistenten brauchen würde. Bei allem, was mit seinem großen Ziel zu tun hatte, war er bislang ohne Assistenten ausgekommen, hatte immer allein gearbeitet und niemanden eingeweiht.
»Ja, aber dann muss ich demjenigen doch alles erklären«, murmelte er verwirrt, »ich finde, das ist noch zu früh.«
»Bring ihn her«, wiederholte der Alte, »Erklärungen sind nicht unbedingt nötig.«
Melnik überlegte zwei Wochen, und schließlich fiel seine Wahl auf Sofja, die Tochter seines alten Freundes Dmitri Lukjanow.
Sie war eine ganz passable Biologin, seine Doktorandin. Erkannte sie seit ihrer Kindheit. Ein stilles, fleißiges Mädchen, eine graue Maus mit durchschnittlichen Fähigkeiten und ohne besondere Ambitionen. Genau die Richtige als Assistentin. Nur eines beunruhigte Melnik: ihr Interesse für Sweschnikow.
Nein, von dem Präparat wusste sie nichts, und selbst wenn sie irgendwo auf vage Andeutungen über verjüngte Ratten gestoßen sein sollte, hatte sie die bestimmt nicht ernst genommen. Ein unbedarftes Durchschnittsgehirn konnte solche Dinge nicht verarbeiten. Außerdem sollte sie die Rolle seiner Assistentin nur für den starrsinnigen Alten spielen. Melnik hatte nicht vor, Sofja tatsächlich in seine Arbeit einzubeziehen.
Als er sie einlud, ihn zu Agapkin zu begleiten, erklärte er ihr nichts weiter. Er sagte nur, er habe einen interessanten Greis kennengelernt, 113 Jahre alt. Einen ehemaligen Arzt, unglücklich und einsam, der viel wisse und sich an vieles erinnere, aber niemanden habe, dem er es erzählen könne.
Agapkin reagierte auf Sofjas Auftauchen so heftig, dass Melnik zunächst verwirrt war. Sofja bemerkte natürlich nichts von der Begeisterung des Alten, und auch niemandem sonst wäre die wohl aufgefallen. Ein Außenstehender hätte womöglich sogar meinen können, dass Agapkin sich ganz und gar nicht über den Besuch freute. Doch Melnik kannte ihn inzwischen recht gut und sah sofort, wie seine Augen glänzten und lebhaft wurden. Auf seine pergamentenen welken Wangen trat eine leichte Röte, und seine Stimme klang verändert.
Aber Melnik beruhigte sich rasch. Er begriff, dass der Alte sich einfach über
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