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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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erfolgreicher vorankommen, wenn es gelänge, irgendwelche Aufzeichnungen von Sweschnikow zu finden, seine Methode zu analysieren.«
    Die Ananas schmeckte plötzlich sauer. Offenbar hatte Melnik ein schlechtes Stück erwischt. Er verzog das Gesicht und erklärte, es gebe keine Methode Sweschnikows, das sei ein Mythos. Die Geschichte mit den verjüngten Ratten und Meerschweinchen sei natürlich amüsant, aber lediglich von historischem, keinesfalls von praktischem Interesse. Diese westlichen Wissenschaftler sollten ihre Aufmerksamkeit lieber auf das lenken, was heute aktuell sei und morgen noch hundertmal aktueller sein werde. Sie sollten sich um die lebendige Wissenschaft kümmern, um die Perspektiven, statt Märchen über geheimnisvolle Genies der Vergangenheit zu erzählen.
    Subow hörte ihm höflich zu. Melnik geriet immer mehr in Fahrt. Nicht zum ersten Mal wurde ihm Sweschnikow unter die Nase gerieben – ja, es stimmte: In Russland wurden nur tote Genies geschätzt, die lebenden übersah man.
    Der Kaffee wurde gebracht. Subow zündete sich eine Zigarette an.
    »Wenn es ein Mythos ist, sollte man ihn ein für allemal ausräumen, entlarven und vernichten«, sagte er und bedachte Melnik mit seinem charmanten Lächeln, »aber dafür braucht es Fakten, Dokumente, konkrete Informationen. Wäre es nicht schön, diesen westlichen Snobs zu beweisen, dass sie sich irren und aufs falsche Pferd setzen? Sollen sie endlich die Augen aufmachenund die wahren Genies der heutigen russischen Wissenschaft erkennen.«
    Melnik missfiel der ironische Ton. Er spürte, wie Subow ihm entglitt, wie seine Augen erloschen, sein Interesse dahinschmolz, und er erschrak: Wenn nun auch dieser tumbe Geldmann einfach verschwand und nicht einmal eine Visitenkarte hinterließ?
    Melnik zog die Brauen zusammen, schwieg lange und konzentriert, als erwäge er etwas sehr Wichtiges, und sagte schließlich: »Den Mythos entlarven? Vernichten?« Er zwang sich zu lächeln, ebenso breit und fröhlich wie sein Gegenüber. »Nun denn, versuchen wir es.«
Moskau 1917
    Es war vorbei. Wolodja lag unter einem kleinen Hügel. Der Schneefall hatte sich verstärkt, das Schneegestöber begrub Kränze, frische Blumen und solche aus Wachs. Ljubow Sharskaja nahm den Arm der alten Kinderfrau und ging mit ihr zum Tor. Die Übrigen folgten. Tanja übergab den durchgefrorenen, vom Weinen geschwächten Andrej an Potapow. Sweschnikow stand reglos am Grab.
    »Komm, Papa.«
    Er nickte schweigend. Er trug keine Handschuhe. Sie rieb seine eiskalten Hände, hauchte sie an.
    »Papa, mir ist furchtbar kalt, aber ohne dich gehe ich nicht weg.«
    »Ich habe ihn zu wenig geliebt. Ich habe ihn nicht behütet. Verzeih mir«, sagte Sweschnikow plötzlich.
    »Redest du mit Mama?«, fragte Tanja.
    Er antwortete nicht. Er umarmte sie und weinte dumpf und heftig, zum ersten Mal in diesen Tagen. Sie streifte ihm ihrenMuff über und führte ihn zwischen den Schneewehen die Allee entlang zum Ausgang. Einmal blieb er stehen, drehte sich um, hob eine Handvoll Schnee auf, rieb sich damit das Gesicht ab, holte ein Taschentuch hervor, schnäuzte sich und sagte schon mit anderer, beinahe lebendiger Stimme: »Hier, Tanja, nimm deinen Muff, es ist kalt.«
    Zum Totenschmaus kamen mehr Menschen als in der Kirche und auf dem Friedhof gewesen waren.
    Brjanzew erschien, einige Freunde von Wolodja, der alte Apotheker Kadotschnikow. Tanja blieb eine Weile am Tisch sitzen. Vielleicht sollte sie lieber in das kleine Zimmer neben dem Labor gehen und Agapkin besuchen?
    Agapkin war am Tag nach Wolodjas Tod krank geworden. Bis zur letzten Sekunde hatte er versucht, Wolodja zu retten. Als alle üblichen Mittel erschöpft waren, hatte er ihm das Präparat gespritzt, sechs Kubikmillimeter. Aber es war zu spät gewesen.
    »Es war Wahnsinn. Ich habe gehandelt wie unter Hypnose. Wolodja hatte mich ein paar Tage zuvor angefleht, es zu tun, heimlich. Ich habe gezögert. Die Geschichte mit Ossja hat mir zwar Hoffnung gemacht, aber die Angst war stärker. Ich kannte die genaue Dosierung nicht und wagte nicht zu fragen. Am Ende habe ich ihm die Spritze gegeben, als er schon in Agonie lag.«
    »Der Parasit ist stark, aber nicht so stark, dass er Tote auferstehen lassen kann«, war das Einzige, was Sweschnikow dazu sagte.
    »Ich hatte nicht das Recht«, wiederholte Agapkin, »aber er hat mich so darum gebeten. Ich wollte mit Michail Wladimirowitsch reden, doch Wolodja hat mich schwören lassen, dass ich schweige. Jetzt glaube

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