Bis in alle Ewigkeit
dann Klembowski. Beide lehnten ab. Denikin schickte ein Telegramm, er sei vollkommen solidarisch mit Kornilow. Er wurde samt seinem ganzen Stab verhaftet und ins Gefängnis geworfen, der Willkür der Soldaten ausgeliefert. Kerenski ernannte sich selbst zum Oberkommandierenden. Da wurden auch noch die Bolschewiki unruhig. Sie schickten ihre Agitatoren in die Truppen, um zu verkünden, Kornilows Auftritt sei schändliche Konterrevolution, die Generale wollten den Zaren wieder auf den Thron setzen, die Leibeigenschaft wiederherstellen und alle Ungehorsamen aufhängen. Du kannst dir ja vorstellen, was da losbrach.«
»Was denn?«, fragte Tanja mit ruhiger Stimme. Sie stand in der Tür, in ein Wolltuch gehüllt. Ihre Augen hatten einen erschreckenden trockenen Glanz.
»Tanja, warum schläfst du nicht?«, fragte Brjanzew heftig zwinkernd. »Es ist schon spät. In deinem Zustand brauchst du Ruhe, das müsstest du doch wissen, du bist schließlich die Tochter eines Professors und willst selber Ärztin werden.«
»Roman Ignatjewitsch, ich muss wissen, was im dritten Reiterkorps vor sich geht. Mein Mann ist dort.«
»Wie kommst du darauf, dass er dort ist? Keineswegs. Kornilow hat Pawel Nikolajewitsch bei sich in Mogiljow behalten.«
»Sie wurden verhaftet? Wurden sie auch ins Gefängnis geworfen zu den Soldaten, wie General Denikin?«
»Aber wie kommst du denn darauf? Um die Verhafteten kümmert sich General Alexejew, das ist ein vernünftiger, anständiger Mann.«
»Warum kommen dann keine Briefe, überhaupt keine Nachricht?«
»Warte ab. Dein Danilow wird zurückkommen, gesund und munter.«
Vierzehntes Kapitel
Moskau 2006
Beim Einchecken hatte die Frau am Schalter Sofja eine kleine Karte gegeben und gesagt, sie könne in die Lounge gehen.
»Was ist das?«, hatte sie gefragt.
»Der Wartebereich für Fluggäste der Businessclass. Aber Sie haben sowieso keine Zeit mehr. Das Einsteigen hat schon begonnen.«
Nach der langen Schlange an der Passkontrolle stand Sofja in einem engen Gang vor einem jungen Mädchen in Uniformund geriet plötzlich in Panik. Das Mädchen blätterte lange in Sofjas nagelneuem Pass und betrachtete sie lange.
Das ging viel zu schnell mit dem Pass und dem Visum, dachte Sofja, gleich wird sich herausstellen, dass alles gefälscht ist. Mama hat sich noch gewundert, dass sie mir gleich ein Jahresvisum ausgestellt haben, ohne jede Befragung. Das gibt es doch gar nicht. Kulik ist ein Hochstapler, Subow ein Gauner, und ich bin eine Idiotin, ich will nach Hause, auf mein Sofa!
»Zweck der Reise?«, fragte das Mädchen.
»Ich wurde eingeladen, an Forschungen zur Apoptose teilzunehmen.«
»Zur was?« Das Mädchen hob verständnislos die Brauen.
»Apoptose ist der programmierte Zelltod«, murmelte Sofja, schwitzend und voller Hass auf sich selbst.
»Zweck der Reise geschäftlich.« Das Mädchen klatschte einen Stempel in den Pass und schob ihn Sofja hin. »Gute Reise.«
Es ist alles in Ordnung. Ich fliege bloß zum ersten Mal ins Ausland und bin aufgeregt. Das ist ganz normal. O Gott, wo habe ich meinen Pass und meine Bordkarte hingesteckt?
An ihrer Schulter hing die Aktentasche ihres Vaters, kurz vor ihrer Abreise hatte sie einen Lederriemen gefunden und ihn daran befestigt. Er war etwas zu lang und rutschte zudem dauernd herunter und verhedderte sich in den Enden des Schals. Der Schal war neu, ebenso ihre Jacke, die Jeans und der Pullover. Das alles hatten sie und ihre Mutter vor ihrer Abreise gekauft, und es gefiel Sofja nun nicht mehr, obgleich sie es gestern schön und bequem gefunden hatte.
In der Aktentasche lag außer ihrem Notebook ein Haufen anderer Dinge. Ihre Mutter hatte ihr eine lederne Kosmetiktasche gekauft und eine ganz spezielle Haarbürste und sie zudem genötigt, eine Extratasche mit Medikamenten mitzunehmen,für den Fall, dass sie im Flugzeug plötzlich Kopf-, Bauch-, Hals- oder Ohrenschmerzen, Schnupfen oder Husten bekam.
Pass und Bordkarte steckten in der Außentasche.
Mach dich nicht verrückt!, befahl sich Sofja.
»Beeilen Sie sich bitte, das Einsteigen ist gleich beendet.«
»Junge Frau, ziehen Sie bitte die Stiefel aus. Sie müssen nicht auf Strümpfen laufen, hier sind Überzieher. Ist da ein Computer drin? Nehmen Sie ihn bitte heraus und schalten Sie ihn ein.«
Alles tadellos höflich und ein wenig demütigend. Während Sofja den Computer ein- und wieder ausschaltete, fuhr ihre Aktentasche auf dem Transportband weiter, wurde von einer Kiste mit einem Pelzmantel
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