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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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nach Mogiljow abgereist. Tanja wohnte wieder bei ihrem Vater. Sweschnikow verurteilte seinen Schwiegersohn nicht, er hielt dessen Entscheidung für richtig. Danilow konnte nicht den Dienst quittieren, die Hände in den Schoß legen und zusehen, wie Russland zugrunde ging. Aber Sweschnikow tat es weh, Tanjas hohlwangiges Gesicht zu sehen. Sie lernte fleißig Anatomie, büffelte die lateinischen Namen von Knochen und Gelenken.
    »Weißt du was, Soja Wels ist in die Fahnenjunkerschule aufgenommen worden. Sie nehmen jetzt auch junge Mädchen. Soja absolviert gerade militärische Schnellkurse, wenn sie fertig ist, wird sie Fähnrich«, sagte sie eines Tages.
    »Wozu?«, fragte der Professor erstaunt.
    »Papa, die Frage ist so dumm, dass ich es nicht für nötig halte, darauf zu antworten.«
    »Aber dir ist doch so etwas nicht in den Sinn gekommen?«
    »Doch, ich wollte auch. Sie haben mich nicht genommen.« Tanja strich sich über den Bauch. »Man sieht es schon zu deutlich.«
    Sweschnikow bekam einen ganz trockenen Mund, seine Augen wurden heiß.
    »Aber Tanja, das wolltest du wirklich? Du wolltest dir genauwie diese Fräuleins die Haare kurz schneiden, eine Uniform anziehen und eine Waffe in die Hand nehmen? Denkst du denn gar nicht an ihn? Er ist noch so klein, so hilflos, er ist vollkommen abhängig von dir.«
    »Gerade an ihn denke ich. An sein Leben, an seine Zukunft. Mein Kind soll in einem normalen Land aufwachsen, nicht in einem Schweinestall.«
    Ihre Stimme klang leise und hart. Sie wollte noch etwas sagen, hob aber nur den Kopf und verstummte. Sweschnikow saß vor ihr, bläulich-blass. Seine Lippen bebten. Tanja stand auf und umarmte ihn.
    »Papa, beruhige dich. Sie haben mich ja nicht genommen, ich bin zu Hause, unter deinen Fittichen, und büffle Anatomie. Na, nun setz nicht so eine Leidensmiene auf.«
    Er konnte nichts dagegen tun. Er litt tatsächlich unter schrecklichen Vorahnungen, unter seinem ohnmächtigen Zorn. Nur eines tröstete ihn: der gleichmäßige Herzschlag, den er vernahm, wenn er das Stethoskop auf Tanjas Bauch setzte. Er versuchte zu erraten, wer darin saß – ein Enkel oder eine Enkelin? Manchmal fühlte er einen agilen kleinen Fuß oder ein Knie, und die Furcht wich, verblich im hellen Licht dieses neuen, geheimnisvollen, noch unsichtbaren Lebens.
    »Wenn es ein Mädchen wird, nenne ich es Lidija, wie Mama«, sagte Tanja.
    »Und wenn es ein Junge wird?«, fragte Sweschnikow.
    »Ein Junge? Natürlich Michail!«
    Eines späten Abends klopfte der erschrockene Agapkin an die Tür.
    »Michail Wladimirowitsch, das graue Weibchen verhält sich sehr seltsam.«
    Die Ratte quiekte und lief im Käfig hin und her, rannte gegen die Wände, versuchte hochzuklettern, den Deckel aufzumachen.Nur mit Mühe ließ sie sich einfangen. Sie wand sich in Krämpfen, schnappte mit offener Schnauze gierig nach Luft.
    »Fieber«, sagte der Professor, »heftiges Herzrasen.«
    »Was kann das sein?«, flüsterte Agapkin.
    »Wir haben zwei Möglichkeiten. Warten und beobachten oder gleich aufmachen.«
    »Aber weder bei Grigori noch bei den anderen ist so etwas passiert.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Wir beide sind ja nicht ständig hier. Vielleicht hat er ja in jener Nacht letztes Jahr im Januar genau so einen Anfall überlebt.«
    »Überlebt?«
    »Wie Sie sehen.« Der Professor nickte zu dem Käfig hinüber, in dem der ruhige, vollkommen gesunde Grigori saß, dann schaute er zu Agapkin. »Fjodor, Sie sind ja ganz weiß, und Ihre Lippen sind blau. Ist Ihnen nicht gut?«
    »Doch. Mit mir ist alles in Ordnung.«
    »Na wunderbar. Ich brauche Sie jetzt. Bereiten Sie unsere Schöne für die Operation vor.«
    Agapkin leerte in einem Zug ein Glas Wasser. Er ballte die Fäuste, um das Zittern der Hände zu unterbinden.
    Nach einer Viertelstunde war der Kopf des betäubten, erschlafften Tieres rasiert. Sweschnikows vom Jod braun verfärbte Hände hantierten geschickt mit winzigen Bohrern und einer Säge. Agapkin klemmte mit Pinzetten die blutenden Gefäße der Ratte ab.
    Das Operationsbesteck für kleine Labortiere war das gleiche wie das für Menschen, nur eben en miniature, wie Juwelierwerkzeuge. Für die filigransten Manipulationen brauchte man eine Lupe. Die hielt Agapkin; seine Hände zitterten nun nicht mehr.
    Sie legten das Innere des Rattengehirns unter der rosiggrauenHaut frei. Die Zirbeldrüse glich einem Reiskorn. Unterm Mikroskop wurde sichtbar, dass dieses Reiskorn aus einer Vielzahl weißer Kristalle bestand.

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