Bis in alle Ewigkeit
uralte heimliche Kern aller Naturwissenschaften, der Chemie, der Biologie, der Medizin.
Im Frühjahr 1916 hatte Professor Michail Sweschnikow einen Jungen aus dem Jenseits zurückgeholt, der an einer seltenenunheilbaren Krankheit litt, der Progerie. Bim meint, Sweschnikow könne Stammzellen verwendet haben. Deren Eigenschaften waren damals schon bekannt. Der russische Biologe Alexander Maximow hatte sie bereits 1908 beschrieben. Sweschnikow kannte Maximow gut, in ihrer Jugend hatten sie zusammen in Deutschland gearbeitet, bei dem berühmten Pathologen Ernst Ziegler an der Universität Freiburg.
Eine andere Hypothese besagt, Sweschnikow habe die Epiphyse manipuliert. Doch er kann unmöglich eine so komplizierte, äußerst riskante Hirnoperation vorgenommen haben, ohne dass jemand davon wusste. Wo war dieser Junge? Was war aus ihm geworden? Warum lebte Agapkin so lange? Was hatten sie, Sofja, und ihr Vater damit zu tun? All diese Fragen raubten ihr fast den Verstand.
Das Flugzeug gewann allmählich an Höhe. Zwischen den Rücklehnen vor Sofja tauchte erneut das Kindergesicht auf.
»Nicht schlafen!«, sagte das Mädchen. »Gleich sieht man den Himmel und die Sterne! Schau aus dem Fenster!«
»Gut, ich schlafe nicht, ich werde rausschauen«, sagte Sofja.
»Schau raus!«, wiederholte das Mädchen streng.
Moskau 1917
Bereits im Januar, am 25., war Fjodor Agapkin Gast bei der Taufe des Kindes gewesen, das Sina geboren hatte. Es hieß Tatjana, sie hatte seine Bitte nicht vergessen. Die Taufe fand nicht in der Kirche statt, sondern in Sinas Elternhaus, einer luxuriösen Villa in der Großen Nikitskaja-Straße. Agapkin hatte sich noch nicht ganz von der schweren Krankheit nach der Injektion erholt und erinnerte sich nur verschwommen an die Zeremonie.
Das Mädchen war knapp einen Monat alt, hatte gut zugenommen und konnte schon allein sein Köpfchen halten.
Sina umarmte und küsste Agapkin.
»Ich stille selbst, wie Sie es mir geraten haben. Milch habe ich genug, ich brauche keine Amme. Haben Sie bemerkt, wie meine Tanetschka Sie ansieht? Sie hat sich ganz ruhig von Ihnen auf den Arm nehmen lassen. Sie hat Sie erkannt, sie erinnert sich und spürt alles genau.«
Anna lächelte ihn freundlich an, wie einen alten Bekannten, und stellte ihn ihrem Mann und ihren Geschwistern vor. Ihre Mutter, eine noch nicht sehr alte, hochgewachsene, sympathische füllige Dame, berührte mit den Lippen zärtlich seinen Kopf, als er sich zu einem Handkuss herunterbeugte, und als Sina und Anna beim Festessen lebhaft noch einmal von dem Ereignis erzählten, tupfte sie sich mehrmals mit einem Batisttuch die Augen ab.
Nach dem Essen bat das Familienoberhaupt Matwej Leonidowitsch Belkin Agapkin in sein Arbeitszimmer. Dort roch es nach guten Zigarren, teurem Leder, in den Regalen standen kunstvolle Modelle alter Segelschiffe, auf dem geräumigen Schreibtisch ein Globus und eine Schreibgarnitur aus Malachit mit Bronzeintarsien. Alles war teuer, gediegen und bequem. Der Hausherr und sein Gast setzten sich in weiche Sessel, ein Dienstmädchen servierte Kaffee in durchscheinendem japanischem Porzellan.
Von der starken Zigarre wurde Agapkin schwindelig, und er verspürte ein Kratzen im Hals.
»Ziehen Sie lieber nicht noch einmal«, sagte der Gastgeber, »machen Sie die Zigarre aus und nehmen Sie sich eine Papirossa.«
Auf Belkin passte die Beschreibung des Herrn im Pelzmantel und mit den Narzissen, den Tanja bei Wolodjas Beerdigunggesehen hatte. Agapkin hätte ihn gern gefragt, konnte sich aber nicht dazu entschließen. Doch Belkin erzählte von sich aus, dass er auf der Beerdigung gewesen sei.
»Der arme Junge, er war total verwirrt. Sie wissen, wer daran schuld ist, Sie wären beinahe selbst ein Opfer dieses Betrügers geworden.« Belkin nannte keinen Namen, er sah Agapkin nur rasch und durchdringend in die Augen.
»Aber mit seiner letzten Tat hat Wolodja seine vorherigen Fehler vollkommen gebüßt. Sie ahnen, wovon ich rede?«
»Nicht ganz«, bekannte Agapkin.
»In einer schwierigen und heiklen Situation hat er sich bewusst an Sie gewandt. Aus welchem Motiv auch immer. Wichtig ist das Resultat. Sie haben meiner Tochter und meiner Enkelin das Leben gerettet. Ich denke, Sie verstehen auch ohne weitere Worte, wie dankbar ich Ihnen bin. Ich weiß, dass Sie in Geldnot sind. Nennen Sie eine beliebige Summe.«
Agapkin wurde rot und begann zu schwitzen. Finanziell ging es ihm wirklich schlecht. Das Lazarettgehalt reichte gerade so zum Leben, und
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