Bis in alle Ewigkeit
anrufen?«
»Wo sonst?« Der Greis bewegte den Mund, um sein Gebiss richtig zu platzieren.
»Wozu, Fjodor?«
»Er muss es von mir erfahren.«
»Überbringst du gern solche Nachrichten?«
»Was spielt das für eine Rolle? Es ist meine Pflicht. Ich habe ihn immer auf dem Laufenden gehalten, ich war seine wichtigste und einzige Informationsquelle.«
»Beruhige dich. Du bist längst in Rente, und er auch.«
»Was tut das zur Sache? Was redest du, Pjotr?«
»Stimmt, das tut wirklich nichts zur Sache.« Colt seufzte. »Hast du was dagegen, wenn ich eine rauche?«
»Rauch nur. Dein Tschekist qualmt, ohne mich zu fragen.«
Colt erstarrte mit der Zigarette im Mund und dem Feuerzeug in der Hand.
»Du meinst, er war ohne mich hier? Wann?«
»Vorgestern. Hat er dir das etwa nicht berichtet?« Der alte Mann verzog spöttisch die Lippen. »Tja, da hab ich dich wohl überrascht, Pjotr. Gib mir das Telefon.«
»Lass uns bis morgen früh warten. Es ist halb zwei in der Nacht, dort ist es also halb zwölf. Er schläft.«
»Gib mir den Computer, ich schicke ihm eine E-Mail.«
»Hast du eine Ahnung, was passieren kann, wenn er so eine Nachricht liest?«
»Na schön, warten wir«, willigte der Greis ein.
Buton rollte den Servierwagen herein. Colt kippte den Kaffee aus der kleinen Tasse hinunter und zündete sich die Zigarettean. Der Greis trank langsam, schlürfte und schmatzte bei jedem Schluck.
Colt stand auf, öffnete das Fenster und blies den Rauch auf die Straße hinaus. Eine Tasse klirrte, Agapkin leckte sich die Lippen und sagte: »Wenn dein Tschekist Tanja umbringt, wirst du dafür in der Hölle schmoren.«
»Entschuldige, was hast du gesagt?« Colt drückte die Zigarette aus und setzte sich wieder in seinen Sessel.
»Du hast mich genau gehört, Pjotr.«
»Gehört schon, aber nicht verstanden. Tanja ist 1976 gestorben, in Nizza. Du hast mir selber erzählt, dass du ihr Grab dort auf dem russischen Friedhof besucht hast.«
»Entschuldige. Ich habe mich versprochen. Aber du weißt, wen ich meine. Tanja ist in Nizza gestorben, und zwei Monate später wurde Sofja in Moskau geboren. Das ist dreißig Jahre her, und nun hat dein Wachhund ihren Vater getötet.«
»Halt, stop!« Colt stand abrupt auf und lief durchs Zimmer. »Ich verstehe, dass du meinen Subow nicht magst. Aber daraus folgt nicht, dass er ein Mörder ist. Wie kommst du überhaupt auf solchen Blödsinn? Dmitri Lukjanow ist an Herzversagen gestorben.«
»Nachdem er mit deinem Tschekisten im Restaurant gesessen hat. Das war ihr letztes Gespräch. Der Tschekist hat begriffen, dass alles nutzlos ist, dass er endgültig verloren hat, dass das eine Sackgasse ist.«
»Dmitri Lukjanow ist eines natürlichen Todes gestorben. Das hat dir seine Tochter Sofja doch erzählt, Fjodor«, sagte Colt langsam und heiser.
»Ach, du hast den Mitschnitt schon gehört?« Der Greis lachte spöttisch. »Und nichts verstanden? Oder nichts verstehen wollen? Dass ihr Vater ein gesundes Herz hatte?«
»Nun, vielleicht hat er ihr bloß nichts von seinen Wehwehchenerzählt«, wandte Colt unsicher ein, »und wenn man sein Alter bedenkt und die Erschütterung, die er erlebt hat …«
»Ja. Die Erschütterung.« Der Greis bewegte mümmelnd die Lippen. »Man hätte ihm Zeit lassen müssen, zu sich zu kommen, alles zu bedenken. Aber dein Wachhund ist einfach drauflos marschiert.«
»Das ist nicht wahr. Er ist ruhig und besonnen vorgegangen. Sie hatten ein normales, vertrauensvolles Verhältnis«, widersprach Colt leise.
»Das hat er dir so erzählt.«
»Er hat jedes Gespräch mitgeschnitten. Ich habe mir die Aufzeichnungen angehört. Ich habe keine Fehler bemerkt.«
»Du bist ein kluger Mann, Colt. Ich bin froh, dass ich dich kennengelernt habe. Aber du bist genauso ein Sklave und Uneingeweihter wie die anderen. Du kannst dich nicht von der Illusion trennen, dass alles auf der Welt für Geld zu haben ist. Das ist dein Unglück. Wie viel hast du mir gezahlt, um zu erfahren, was du wissen wolltest?«
»Dir – gar nichts«, murmelte Colt verwirrt.
»Kluger Junge.« Der Greis verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Du hast eine Menge investiert, um an mich ranzukommen. Aber dann hat etwas anderes gezählt, eine andere Währung.«
»Was willst du damit sagen?«
»Nichts. Denk nach. Finde den Fehler.«
»Wessen Fehler?«
»Deinen, du Dummkopf, deinen. Nicht seinen. Er ist bloß ein Tschekist.«
»Das verstehe ich nicht.« Colt runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
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