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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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gleiche Funktion erfüllen. Diese Entdeckung eröffnete phantastische Perspektiven für die Behandlung von AIDS, Krebs und Herzinfarkten. Viele Biologen sprachen von der Möglichkeit, das Genom des Menschen zu verändern, Krebszellen so zu programmieren, dass sie von selbst absterben, oder umgekehrt das Programm auszuschalten, das bei einem Infarkt zum Absterben von Gewebezellen im Herzen führt. Für diese Forschungen wurden enorme Gelder zur Verfügung gestellt, es fanden sich freiwillige Versuchspersonen, es wurden Kliniken eröffnet, in denen wenig erforschte Methoden in der medizinischen Praxis angewandt wurden, das Internet, Zeitungen und Zeitschriften wurden überflutet von Werbung für universelle genetische Methoden zur Behandlung menschlicher Leiden, einschließlich Alter und Tod.
    All dem war auch ihr Doktorvater verfallen, Boris Iwanowitsch Melnik, genannt Bim, Biologe und ein Freund ihres Vaters.
    Bim hatte viele Jahre lang den nämlichen Fadenwurm erforscht, mit dem gleichen Ziel wie die beiden Engländer und der Amerikaner, und war, was ihn besonders ärgerte, zu den gleichen Ergebnissen gekommen wie diese, und zwar ein Jahr früher. Aber Bim arbeitete in einem bettelarmen, gottverlassenen kleinen Forschungsinstitut für Histologie, hatte keine Ausrüstung, kein Geld, verdiente lächerlich wenig und rannte immer wieder gegen die ewige Wand aus Dummheit, Feigheit und Korruptheit der russischen Wissenschaftsbeamten an. Der fremde Nobelpreis 2002 brachte das Fass zum Überlaufen. Er gab ein Interview nach dem anderen und verkündete überall, dass er an neuen Verfahren zur Lebensverlängerung arbeite. Ihm als habilitiertem Biologen fiel es nicht schwer, eine neue, durchaus logische Theorie zu erfinden, die besagte, dass die moderne Biologie Arm in Arm mit der Genetik Alter und Tod besiegen könne. Man glaubte ihm, wie man heidnischen Schamanen, mittelalterlichen Hexern, Alchemisten und Abenteurern aller Zeiten und Völker geglaubt hatte, einfach deshalb, weil man so sehr daran glauben wollte. Aber damit nicht genug – irgendwann glaubte Bim plötzlich selbst an den hochtrabenden Stuss, den er Journalisten und Laien in Internetforen servierte.
    Bim wurde berühmt. Weil Sofja, seine treue Assistentin, immer an und auf seiner Seite gewesen war, wollte er sie zu Fernsehinterviews mitnehmen, doch sie erfand triftige Gründe, um ihn nicht begleiten zu müssen. Sie schämte sich und hatte Angst, ihm die Wahrheit zu sagen. Eigentlich wollte sie das Labor nicht verlassen, doch ihr Doktorvater hatte eindeutig den Verstand verloren. Also entschied sie zu gehen, wusste aber nicht, wohin. Ihr Problem war, dass sie eine wissenschaftliche Arbeit wollte, keinen gewissenlosen Kommerz unter dem Deckmantel der Wissenschaft. Diese Möglichkeit sah sie gegenwärtig nur in einer Organisationgegeben – »Biologie morgen«. Und nun tauchte wie auf den Wink eines Zauberstabs dieser Kulik auf.
    Ich muss was gegen das Fieber nehmen und einfach ein bisschen schlafen, dachte Sofja. Das sind zu viele Fragen für einen kranken Kopf, an dem auch noch das Ohr wehtut. Kulik ist ein Windhund und ein Gauner, kein Wissenschaftler, aber vielleicht ist das für die Verwaltungsarbeit genau das Richtige. Er ist da Geschäftsführer, also verwaltet er das Geld, Fonds und Fördermittel. Ihn persönlich interessieren meine Forschungen wohl kaum, die sind ihm scheißegal. Aber irgendwer dort kümmert sich um die wissenschaftlichen Belange und hat Kulik aufgetragen, Kontakt zu mir aufzunehmen. Wieso auf einmal? Und wie ist ein Foto des großen Sweschnikow zwischen die Fotos in Papas Tasche geraten? Haben die beiden Dinge vielleicht miteinander zu tun? Nein. Unsinn. Das ist das Fieber, ich phantasiere. Mein Gott, ich habe Schüttelfrost. Wo bleibt nur Nolik?
    Sie fiel fast von der Liege, als Nolik ihr ein nasses, nach Wodka riechendes Handtuch ins Gesicht klatschte.
    »Herrgott, du hättest es wenigstens auswringen können!«, stöhnte Sofja.
Moskau 1916
    Die Gäste waren gegangen, und der Professor zog sich mit Agapkin in sein Arbeitszimmer zurück.
    »Seien Sie mir nicht böse, Fjodor«, sagte Sweschnikow, während er sich in einen Sessel niederließ und mit einer dicken krummen Schere die Zigarrenspitze kürzte. »Ich weiß, wie leicht Sie sich für etwas begeistern und wie sehr Sie unter Enttäuschungen leiden. Ich wollte Sie nicht mit Bagatellen behelligen.«
    »Von wegen Bagatellen!« Agapkin kniff die Augen zusammen und entblößte seine

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