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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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vergaß sie den Traum und lebte weiter wie immer – bis zur nächsten Nacht.
    Wolodja spottete, seine Schwester habe sich in einen alten Monarchisten verliebt, einen finsteren Reaktionär, und nun müsse sie wohl oder übel in ihrem Zimmer ein Familienbild der Romanows aufhängen, den Oberst heiraten, ihm Kinder gebären, dick werden, verdummen und sich an einen Stickrahmen setzen.
    Andrej war düster und beredt eifersüchtig. Er war gerade zwölf geworden. Seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben. Tanja war der Mutter ähnlich und kümmerte sich viel um den kleinen Bruder. Die Kinderfrau hatte dem Jungen eingeredet, seine Mutter sei nun ein Engel und schaue vom Himmel auf ihn herunter. Andrej hatte sich eingeredet, Tanja sei die rechtmäßige irdische Stellvertreterin von Mamas Engel und müsse deshalb ihre Engelspflichten brav erfüllen. Tanjas Verehrern begegnete er hochmütig, verachtete sie und bedauerte sie manchmal sogar. Nur Oberst Danilow hasste er, still und verbissen.
    Unsinn, das hat sich Andrej nur ausgedacht, entschied Tanja und trat ans Regal, um eine Schallplatte herauszusuchen.
    Andrej stellte sich neben sie, mit dem Rücken zu dem Gast, und legte seinen Kopf auf die Schulter der Schwester. Sie waren fast gleich groß, und er verrenkte sich fast den Hals. Der Oberst stand noch immer mitten im Zimmer. Nach einer Weile räusperte er sich und sagte leise: »Tatjana Michailowna, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, hier ist Ihr Geschenk.« Er zog ein kleines Juwelieretui aus der Tasche und hielt es Tanja hin.
    Plötzlich erschrak Tanja. Sie begriff, dass das kein Unsinn war, dass Danilow tatsächlich mit ihrem Vater über sie gesprochenhatte, doch der war so beschäftigt mit seinen Reagenzgläsern und Ratten, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte, Tanja etwas davon zu sagen.
    Das kleine goldene Schloss ließ sich nicht öffnen, und Tanja brach sich einen Fingernagel ab.
    »Lass mich mal«, meldete sich Wolodja, der bis dahin in einem Sessel gesessen und zerstreut in einer Zeitschrift geblättert hatte.
    Im ersten Moment glaubte Tanja, auf dem blauen Samt säße ein lebendiges Glühwürmchen. Wolodja stieß einen Pfiff aus. Andrej fauchte verächtlich und murmelte: »Ph, ein Glassteinchen!« Danilow schob den Weißgoldring mit dem kleinen, unglaublich klaren und durchsichtigen Stein auf Tanjas Ringfinger. Er passte wie angegossen.
    »Den hat schon meine Urgroßmutter getragen«, sagte der Oberst, »und dann meine Großmutter und meine Mutter. Ich habe niemanden außer Ihnen, Tatjana Michailowna. Mein Urlaub geht zu Ende, morgen muss ich zurück an die Front. Auf mich wartet niemand. Verzeihen Sie.« Er küsste Tanja die Hand und verließ rasch das Zimmer.
    »Der Ärmste«, zischte Andrej aus seiner Ecke.
    »Was ist, wieso stehst du da wie angewurzelt?«, spottete Wolodja. »Lauf ihm nach, fang an zu weinen, sag: Ach, Liebster, ich bin dein!«
    »Seid still, ihr zwei Idioten!«, rief Tanja unerklärlicherweise auf Englisch und lief Danilow nach.
    »Kinder, was ist passiert? Wohin will Tanja so eilig? Wo ist Michail?«, hörte sie die Stimme der Kinderfrau in ihrem Rücken.
    In der Diele zog der Oberst gerade seinen Mantel an.
    »Morgen?«, fragte Tanja dumpf.
    Ohne recht zu wissen, was sie tat, packte sie ihn am Mantelkragen,zog ihn an sich, barg ihr Gesicht an seiner Brust und murmelte: »Nein, nein, ich werde Sie auf keinen Fall heiraten. Ich liebe Sie viel zu sehr, und eine Ehe, das ist niedrig und öde. Und merken Sie sich eins: Wenn Sie dort getötet werden, dann werde ich nicht weiterleben.«
    Er streichelte ihren Kopf und küsste sie auf die Stirn.
    »Wenn Sie auf mich warten, Tanja, dann werde ich auch nicht getötet. Wenn ich zurückkomme, heiraten wir. Michail Wladimirowitsch hat gesagt, das sollten Sie entscheiden. Er sehe nichts, was dem entgegenstünde. Bis auf den Krieg, aber der ist ja hoffentlich bald vorbei.«
Moskau 2006
    Sofja erwachte mitten in der Nacht von einem seltsamen Geräusch, als ließe hinter der Wand jemand ein Motorrad an. Eine Weile lag sie da, ohne etwas zu begreifen, und blickte an die Decke. Es war kalt, draußen tobte ein Schneesturm. Sie sollte aufstehen, das Fenster schließen und sehen, was dort draußen vorging.
    Auf dem Display ihres Mobiltelefons leuchtete die Uhrzeit: halb vier. Sie mochte nicht mehr schlafen. Das Fieber war gesunken. Endlich begriff Sofja, dass sie im Zimmer ihres Vaters eingeschlafen war, auf seiner Liege, und dass hinter der Wand

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