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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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Lächeln oder ohne, aber doch nicht gleich morgen.«
    »Hm.« Colt griff nach einem Glas Wasser und leerte es in einem Zug. »Ich weiß, Wowa, ich sollte nicht Trübsal blasen. Aber ich spüre auf einmal die Zeit sehr stark. Ich erinnere mich genau, was vor zehn, vor zwanzig Jahren war, wie ich da war, du, wir alle. Die Zeit ist verflogen wie ein Augenblick. Und verfliegt immer schneller. Zehn, zwanzig Jahre – das ist praktisch morgen.«
    »Na, lieber zwanzig als zehn.« Der Minister lachte nervös. »Ich verstehe dich, Pjotr. Das kenne ich auch. Plötzlich überkommt einen so eine Wehmut, alles scheint einem sinnlos. Aber dann sehe ich mir meinen Sohn an, meine Enkelinnen. Ich will wissen, wie sie aufwachsen, in ihnen fließt mein Blut, sie sind meine Fortsetzung. Das tröstet und vertreibt die dummen Gedanken. Du solltest heiraten, Pjotr. Wenn man Familie hat, ist es irgendwie leichter.«
    »Ja, wahrscheinlich.« Colt nickte zerstreut und schaute zu der fünfundzwanzigjährigen Witwe des Bankiers. »Er hat geheiratet, und für ihn war es leichter.«
    Die Witwe, ein Model von europäischem Rang, das Gesicht einer bekannten Kosmetikmarke, saß einen Tisch weiter neben einem jungen Fernsehproduzenten. Sie plauderten leise und angeregt miteinander. Der Arm des Produzenten lag auf ihrerStuhllehne. Der Produzent flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die Witwe kicherte vorsichtig und lautlos. Als sie Colts durchdringenden Blick spürte, rückte sie ein wenig ab von ihrem Gesprächspartner und setzte eine Trauermiene auf.
    »Nein, nein, natürlich nicht so.« Der Minister lachte leise. »Du weißt doch, sie war seine fünfte oder siebte, darum steht’s auch mit den Kindern nicht gerade rosig. Der älteste Sohn hängt an der Nadel, er ist nicht hier. Der jüngste sitzt da drüben.«
    Colt folgte dem Blick des Ministers und entdeckte ein alters-und geschlechtsloses Geschöpf. Schulterlange gelbe Locken, sorgfältig ausgezupfte, erstaunt hochgezogene Augenbrauen, riesige hervorquellende, tragische schwarze Augen.
    »Man möchte denken, dass er um seinen Vater trauert. Womöglich ist er der Einzige hier, der wirklich leidet«, flüsterte der Minister. »Doch ich habe gehört, er ist vor einer Woche von seinem Liebhaber verlassen worden, einem bekannten Seriendarsteller, und ich fürchte, das ist es. Aber mit Familie ist es trotzdem besser als allein, Pjotr. Und denk einfach nicht an dein Alter. Wozu darüber nachdenken, wenn du es sowieso nicht ändern kannst? Mach Gymnastik, achte auf dein Gewicht und deine Ernährung. Nimm Vitamine. Und es gibt Therapien zur Entschlackung, zur natürlichen Verjüngung. Ich kann dir ein paar ausgezeichnete Kliniken empfehlen, in der Schweiz und in Deutschland. Probier es mal.«
Moskau 1916
    Doktor Agapkin wohnte vorübergehend bei den Sweschnikows. Zuvor hatte er sich mit einem Freund eine Mansarde im Dachgeschoss eines Mietshauses in der Nähe geteilt. Vor kurzemhatte der Freund geheiratet und war ausgezogen. Allein konnte sich Agapkin die Behausung nicht leisten. Er suchte etwas Billigeres, hatte aber bislang nichts Passendes gefunden.
    Er schlief auf einem Sofa in Wolodjas Zimmer, höchstens vier Stunden am Tag. Während der Professor im Lazarett war, öffnete Agapkin die Schädel von Ratten, Kaninchen und Meerschweinchen und führte diverse Manipulationen an der Epiphyse durch. Die Tiere verendeten. Er legte die Kadaver in Postkisten aus Sperrholz und schaffte sie auf den Müll.
    Der Ratz Grigori war wohlauf, fraß mit Appetit, war hinter den Weibchen her und zeugte reichlich Nachkommen. In den drei Monaten seit der Operation hatte er sich kein bisschen verändert, er war nicht gealtert, obgleich drei Monate für eine Ratte so viel waren wie zehn, zwölf Menschenjahre. Der Professor untersuchte regelmäßig sein Blut und nahm ihn zweimal mit ins Lazarett, um ihn zu röntgen.
    »Warum obduzieren Sie ihn nicht?«, fragte Agapkin.
    »Soll er ruhig noch eine Weile leben, wenn er schon mal diese Chance hat.«
    Agapkin studierte zigmal die Röntgenbilder und untersuchte das Rattenblut unterm Mikroskop, entdeckte aber nichts Besonderes.
    »Wann wollen Sie die Versuche fortsetzen?«
    Sweschnikow gähnte, trank Pfefferminztee, rauchte eine Zigarre und antwortete jedes Mal: »Morgen, Fjodor. Morgen ganz bestimmt. Heute bin ich sehr müde.«
    Doch trotz der Müdigkeit nach schlaflosen Nächten schloss sich der Professor mitunter lange in seinem Arbeitszimmer ein, las und schrieb etwas in ein dickes lila

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