Bis in alle Ewigkeit
beide habt wohl vergessen, dass ihr einen kleinen Bruder und Sohn habt, ich habe sehr schlecht geträumt, da bin ich zu Tanja gegangen, aber sie war nicht da. Dann war ich bei dir, und du warst auch nicht da«, beklagte sich der Junge leise und traurig.
»Leg dich hin. So ist’s gut. Ist dir auch nicht kalt? Soll ich dir noch eine Decke drüberlegen? Gut, schlaf jetzt, wenn du aufwachst, sind Tanja und ich schon zu Hause.« Der Professor verließ das Zimmer.
Agapkin schloss leise die Tür und presste sich an die Wand. Sein Herz schlug dumpf und schwer. Er zog sich lautlos an und schlüpfte hinaus in den Flur. Wolodja hatte nichts gehört, er schnarchte noch immer.
Droschken waren wie zum Trotz keine da, auch keine Straßenbahn. Agapkin konnte nicht auf der Stelle stehen, die Beine trugen ihn wie von selbst rasch vorwärts. In einer halben Stunde war er im Lazarett. Auf der Treppe stieß er auf den Chirurgen Potapenko; er war im Mantel und in Galoschen.
»Wo wollen Sie hin?«, fragte der keuchende Agapkin erstaunt.
Er hatte nicht daran gezweifelt, dass der Professor, sollte er sich entschließen, Ossja zu operieren, eine Trepanation vorzunehmen, nur ihn, Agapkin, als Assistenten holen würde. Doch offenbar hatte der Professor anders entschieden und Potapenko hinzugezogen. Nicht ohne Grund hatte er in einem kürzlichen Gespräch gesagt, er halte Potapenko für den besten Chirurgen im Lazarett.
Wie konnte er nur? Hat er ihm etwa alles erzählt? Vertraut er ihm etwa mehr als mir?, dachte Agapkin. Die Operation ist, gelinde gesagt, zweifelhaft, und wenn es nicht gelingt, den Jungenzu retten, könnte das äußerst unangenehme Nachforschungen zur Folge haben.
»Ich gehe nach Hause, schlafen.« Potapenko gähnte. »Es war eine schwere Nacht. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.«
»Wo ist Michail Wladimirowitsch?«
»Im dritten Stock, im Behandlungsraum 17, mit Ossja.«
»Wie geht es dem Jungen?«
»Sehr schlecht. In der Nacht ist sein Herz dreimal stehengeblieben. Dass er noch lebt, ist mir ein Rätsel, wahrscheinlich nur durch Tanjas Gebete.«
Ohne weitere Fragen zu stellen, rannte Agapkin die Treppe hinauf.
Also hat er nicht operiert. Natürlich, das wäre unmöglich so schnell. Ich bin ein Dummkopf. Er hat eine andere Methode gefunden, einfacher und gefahrloser.
Agapkin erreichte den Behandlungsraum, vergaß vor Aufregung, dass die Tür sich nach außen öffnete, und stieß mehrmals dagegen.
Plötzlich ging die Tür auf und prallte gegen seine Stirn. Auf der Schwelle stand Sweschnikow, im weißen Kittel und mit weißer Arztmütze.
»Oh, Fjodor, Verzeihung. Hat’s wehgetan? Zeigen Sie mal her. Oje, das wird eine Beule, das muss schnell gekühlt werden. Nun, was ist? Kommen Sie.«
Der Professor umfasste seine Schultern und führte ihn den Flur entlang, nachdem er die Tür zu dem Zimmer, in dem Ossja lag und Tanjas Silhouette am Fenster zu erkennen war, sorgfältig geschlossen hatte.
Agapkin folgte dem Professor ergeben, taumelnd und schwer atmend. Sein Mund war trocken, die Zunge klebte am Gaumen. Bevor er Fragen stellte, musste er sein seltsames Verhaltenirgendwie erklären. In Renatas halbdunkler Wohnung mit dem weißblonden Hexer listige Pläne zu schmieden war leicht gewesen. Doch nun, Auge in Auge mit dem Professor, empfand Agapkin Abscheu gegen sich selbst.
Früher hätte ich ohne weiteres offen fragen können, aber jetzt fühle ich mich wie ein Spion und Verräter, dachte er, wurde rot und stammelte: »Ich habe gehört, dass es Ossja sehr schlecht geht. Brauchen Sie vielleicht meine Hilfe?«
»Danke. Im Lazarett gibt es genug Ärzte. Sie hätten sich nicht so abhetzen müssen.«
Der Professor sah ihn mitfühlend und freundlich an, doch Agapkin glaubte Spott wahrzunehmen.
»Andrej ist aufgewacht, er ist durch den Flur gelaufen und hat Sie und Tanja gesucht. Er hat schlecht geträumt. Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich habe gehört, dass Sie nach Hause gekommen und gleich wieder gegangen sind.« Agapkin sprach abgehackt und heiser, noch immer keuchend. Die Stirn tat unerträglich weh.
»Andrej habe ich beruhigt, er ist wieder eingeschlafen. Ich brauchte Magnesiumsulfat, in der Lazarettapotheke gab es keins mehr.«
Der große Behandlungsraum war voll. Verwundeten wurden die Verbände gewechselt, Spritzen wurden abgekocht. Sweschnikow übergab Agapkin einer älteren Schwester, die gerade ihren Dienst angetreten hatte, und ging.
»Was haben Sie denn da nur gemacht, Fjodor
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