Bis in alle Ewigkeit
ist wieder dieser Mann von der Zeitung und ein Fotograf mit einem Fotokasten. Ich hab gesagt, ich darf sie nicht hereinlassen, aber sie stehen da und gehen nicht weg.«
»Wo stehen sie?«, fragte Agapkin.
»Auf dem Treppenabsatz. Sie haben dem Portier Geld gegeben, da hat er sie reingelassen.«
Tanja ging rasch durchs Wohnzimmer in den Flur.
»Wo willst du hin?«, rief Wolodja ihr nach.
»Auf dem Revier anrufen.«
»Warte!« Wolodja holte sie ein und packte sie an der Schulter. »Das ist nicht nötig. Und zwecklos. Wir kümmern uns selber darum. Bleib hier sitzen.«
Er und Agapkin gingen in den Flur. Tanja hörte, wie das Schloss klackte und die Wohnungstür geöffnet wurde. Die lauten Stimmen drangen kaum bis zum Wohnzimmer, die Worte waren nicht zu verstehen.
Der Reporter, der unter dem Pseudonym Vivarium für mehrere Boulevardzeitungen schrieb, gab schon die zweite Wochekeine Ruhe. Allein oder mit einem Fotografen versuchte er, ins Lazarett vorzudringen, oder belagerte ihr Haus. Einmal hatte er Tanja vor dem Gymnasium abgefangen.
»Waren Sie an der Operation beteiligt, die Ihr Vater an einem an Progerie leidenden Kind vorgenommen hat? Wissen Sie, worin Sweschnikows Methode besteht? Ist es ein Allheilmittel, ein Elixier der Jugend und des ewigen Lebens?«
Zum Glück kamen gerade zwei Schutzleute vorbei, Tanja rief sie zu Hilfe und erklärte, dieser Mann sei verrückt und verfolge sie. Sie nahmen den Reporter mit, doch am nächsten Tag saß er, als wäre nichts geschehen, auf einer Bank auf dem Hof. Zwei Zeitungen hatten seine Artikel gedruckt, in denen er behauptete, Professor Sweschnikow habe sein geheimnisvolles Präparat nach einer Reihe von Tierversuchen an einem Kind ausprobiert.
Im Lazarett erschien ein hochgewachsener Beamter aus dem Departement und fragte Sweschnikow unter verlegenem Hüsteln, woher diese seltsamen Gerüchte kämen.
»Sehen Sie, Progerie ist eine äußerst seltene Krankheit, vollkommen unerforscht«, erklärte der Professor. »Die Medizin kennt Fälle von Selbstheilung bei den schwersten und hoffnungslosesten Leiden. Es kommt vor, dass Krebsgeschwüre verschwinden, sich die Herztätigkeit nach einem Infarkt wieder normalisiert. Bei Kopfschüssen, bei denen wichtige Hirnareale verletzt wurden, scheint der Mensch dem Tode geweiht, doch manch einer lebt vollwertig weiter, die Funktionen der abgetöteten Zellen werden von anderen Zellen übernommen. Das Kind hat drei Herzstillstände in einer Nacht überlebt, es lag vierzig Minuten im Koma. Möglicherweise haben diese Erschütterungen verborgene innere Reserven des Organismus mobilisiert, und der Stoffwechsel hat sich verändert.«
Der Beamte drückte zurückhaltend seine Freude über die wunderbare Heilung des jüdischen Waisenjungen aus und versprach,sich persönlich darum zu kümmern, dass die Vormundschaft rasch geregelt wurde.
»Und die Tierversuche«, fragte er, »ist es wahr, dass es Ihnen gelungen ist, mehrere Ratten und Meerschweinchen zu verjüngen?«
»Ich befasse mich nicht mit Verjüngung.« Der Professor lächelte liebenswürdig. »Ich interessiere mich für die Funktion von Drüsen, die Rolle des Knochenmarks im Blutkreislauf und für das Eiweiß, welches das Wachstum von Kapillaren auslöst. Manchmal zeitigen die Versuche überraschende Ergebnisse, aber mit einem Jugendelixier hat das nichts zu tun. Reden Sie mit den Herren Spiritisten und Medien, in Moskau und Petersburg gibt es mehrere Alchemisten. Glauben Sie mir, die können Ihnen weit mehr über Jugendelixiere erzählen als ich. Meine Kenntnisse auf diesem geheimnisvollen Gebiet sind äußerst bescheiden.«
Mit dem Beamten war das Problem geklärt. Doch die Hutmacherinnen aus der Werkstatt von Madame Cottie, die Köchinnen und Dienstmädchen, Hauswarte und Zeitungsburschen flüsterten, glotzten, belagerten den Hauseingang und zeigten mit Fingern auf Ossja und Professor Sweschnikow.
Eines Tages tauchte in der Wohnungstür das blasse, lange Gesicht des oberen Nachbarn, des Spiritisten Bublikow, auf. Sweschnikow lud ihn zu einer Tasse Tee ein.
»Arkadi Apollinarjewitsch, Sie, ein Mann, der mit den subtilsten infernalen Substanzen vertraut ist, Sie glauben doch nicht im Ernst, ich, ein Uneingeweihter, ein bescheidener Militärarzt, könnte in das uralte und bestgehütete Geheimnis der höheren Sphären eingedrungen sein?«
Schwer zu sagen, ob diese Unterhaltung Bublikow beruhigt hatte, jedenfalls behelligte er den Professor nicht mehr. Der Reporter Vivarium
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