Bis in alle Ewigkeit
nach ihm. Er hatte am Abend hohes Fieber.«
Chudolej erschien in der Tür.
»Ich habe ihn mit einer Droschke nach Hause geschickt. Gehen wir einen Moment hinaus.«
Renata setzte sich auf den Bettrand, wischte Sinas feuchtes Gesicht mit einem nassen Taschentuch ab, streckte sich wie eine Katze und hob und senkte müde die Lider.
»Schwester, sei vernünftig.«
»Lass mich in Ruhe!«, schrie Sina schwach.
Chudolej heftete seinen hypnotischen Blick auf Agapkin.
»Nur auf zwei Worte. Gehen wir hinaus.«
»Ich gehe nirgendwohin. Was haben Sie mit Sinas Kind vor?«
»Nichts. Absolut gar nichts. Ich will nur das Beste. Sina ist sehr jung, sie hat das Leben noch vor sich. Ist Ihnen bekannt, wie man in diesem Land uneheliche Kinder und ihre Mütter behandelt?«
»Sie wollen es in ein Waisenhaus bringen, Fjodor Fjodorowitsch«, sagte Sina, »es weggeben wie ein Findelkind.«
»Das wolltest du selbst, Schwester, oder nicht?« Chudolej ließ von Agapkin ab und wandte sich zum Bett um. »Wir haben das doch besprochen, sei vernünftig.«
»Nein! Niemals!«
»Du hast geschworen, das Geheimnis zu wahren. Du verletzt deinen Schwur, wenn du das Kind behältst. Durch deine Schuld wird das Geheimnis offenbar.«
»Nun, dann töte mich gleich, hier und jetzt.« Sina lief plötzlich tiefrot an, bleckte die Zähne, eine Ader auf ihrer Stirn schwoll an. »Fjodor, es tut weh! Wie eine Wehe!«
Agapkin trat energisch ans Bett und hob Renata derb am Arm hoch.
»Gehen Sie eine rauchen, meine Dame. Und auch Sie, Georgi Tichonowitsch, gehen bitte hinaus. Ich muss die Patientin untersuchen.«
Chudolej sah Renata fragend an. Sie zuckte gleichgültig die Achseln, hielt sich die Hand vor den Mund, gähnte und zog eine goldene Taschenuhr heraus.
»Wahrscheinlich die Nachgeburt. Es ist halb zehn Uhr morgens. Meister, erlauben Sie, dass ich gehe. Ich falle um vor Müdigkeit.«
»Nun gehen Sie doch endlich, Sie stören, alle beide!«, rief Agapkin.
Bevor sich die Tür hinter ihnen schloss, hörte er Renata miteinem unterdrückten Gähnen sagen: »Schön, egal. Wir müssen sowieso die Nacht abwarten.«
Agapkin drückte leicht auf Sinas weichen Bauch, holte die Nachgeburt heraus, untersuchte, ob die Haut intakt und kein Gefäß geplatzt war, wusch Sina mit Manganlösung aus und desinfizierte sie mit Jod. Das brannte sehr, und sie schluchzte leise. Schließlich deckte er sie mit einem sauberen Laken zu, setzte sich auf den Bettrand und hielt ihr das Glas mit dem Tee an den Mund. Sie trank gierig.
»Gehen Sie bitte nicht weg. Ich weiß, Sie sind müde, aber lassen Sie mich hier nicht allein, ich flehe Sie an!«
»Du musst noch einen Tag liegen bleiben. Natürlich gehe ich nicht weg. Wo sind deine Eltern?«
»Hier in Moskau.«
»Sind sie arm?«
»Nein. Sehr reich.«
»Suchen sie dich denn nicht?«
»Sie denken, ich wäre im Kloster, weit weg, in der Nähe von Wologda. Ich habe ihnen vor langer Zeit schon gesagt, dass ich Nonne werden will. Sie haben sich mit meinen Eigenheiten abgefunden. Ich habe alles so arrangiert, als wäre ich als Novizin dorthin gefahren, schon im Sommer, als mein Bauch dicker wurde. Vorher habe ich einige Briefe geschrieben, die hat Syssojew zu seiner Tante gebracht, sie wohnt in Wologda und schickt jede Woche einen nach Moskau.«
»Ausgezeichnet. Und wie weiter?«
»Weiter soll ich laut Plan nach Hause zurückkehren, wenn ich mich von der Entbindung erholt habe.«
»Was passiert, wenn du mit einem Kind zurückkommst?«
»Ich weiß nicht. Das wird schrecklich.«
»Werden deine Eltern dich auf die Straße setzen?«
»Nein. Selbstverständlich nicht. Sie werden mir verzeihen.Aber das Geheimnis wird offenbar werden. Ich habe doch den Eid geschworen, genau wie Sie. Erinnern Sie sich an die schrecklichen Drohungen?«
»Und deshalb bist du bereit, auf dein Kind zu verzichten?«
»Lieber sterbe ich. Davor hat er am meisten Angst. Wenn ich hier sterbe, in seiner Wohnung, ergeht es ihm schlecht.«
Als Chudolej hereinkam, teilte Agapkin ihm mit, Sina könne Blutungen bekommen. Das sei äußerst gefährlich, und das einzige Mittel, das Unheil abzuwenden, sei, das Kind bei ihr zu lassen, denn damit sich die Gebärmutter normal zurückbilde, müsse Sina stillen.
»Ja? Merkwürdig. Das habe ich noch nie gehört«, sagte Chudolej.
Agapkin bemerkte in den gelben Augen Angst und Verwirrung. Wenn der verehrte Meister jetzt versuchte, mit seiner Hypnose auf ihn oder Sina einzuwirken, würde das kaum gelingen. Agapkin
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