Bis in den Tod hinein
ihrem Versteck gebracht und irgendwo draußen in einem weit entfernten Waldstück ihrem sicheren Tod überantwortet werden. Der Dachboden sollte dann später in aller Ruhe aufgeräumt und von verräterischen Spuren befreit werden.
Doch in eben dem Moment, als die dunkle Gestalt das Wasserglas wieder von Tanjas Lippen entfernte, wich die Dunkelheit des Raumes plötzlich dem grellen Licht der Deckenlampe. Mit einem Schlag brach es die schützende Finsternis auf, und obwohl Tanja van Beuten keinerlei Notiz mehr davon nehmen konnte, erkannte jemand anders doch unverzüglich, was die unerwartete Helligkeit zu bedeuten hatte.
» Es war eine Falle, oder?«
Linda Bartholy wandte sich nicht um. Sie wusste auch so, wer soeben in den Raum getreten war.
» Genau genommen sogar deine eigene«, antwortete Boesherz sachlich.
Severin war Linda zunächst allein ins Haus gefolgt. Der Rettungswagen, das Einsatzkommando und auch Dennis warteten vor dem abgelegenen Gebäude auf das vereinbarte Zeichen.
» Ihr musstet mich in die Lage bringen, dass ich euch selbst zum Versteck führe«, erkannte Bartholy die Ironie der Situation. » Ihr seid mir die ganze Zeit gefolgt, oder?«
» Als ich dich im Haus von Venske umarmt habe, habe ich dir einen Sender in die Tasche gesteckt.«
Bartholy nahm die Aussage kommentarlos hin, erklärte dann aber: » Wenn Tanja heute Nacht wirklich entkommen wäre, dann hätte sie euch hierherführen können. Und selbst, wenn sie mich nicht mehr hätte identifizieren können, wäre immer noch das Haus voll von Spuren gewesen, die mich überführt hätten.«
» Hätte sich aber herausgestellt, dass die aufgefundene Frau gar nicht Tanja war«, setzte Boesherz den Gedanken fort, » dann musstest du davon ausgehen, dass wir in ein paar Stunden mit einer Hundestaffel losgezogen wären und sie früher oder später hier gefunden hätten.«
» So oder so«, gab Linda zu. » Ich hatte keine andere Wahl, als so schnell wie möglich zu ihr zu fahren. Ihr habt heute Nacht niemanden gefunden, oder?«
Boesherz sah zu Tanja van Beuten hinüber, Bartholy folgte seinem Blick.
» Bis eben nicht.«
Jetzt griff Severin nach seinem Funkgerät und gab ein Kommando durch, woraufhin die Rettungsmediziner begleitet von vier maskierten Beamten des SEK ins Haus stürmten.
» Aus uns beiden hätte was werden können«, behauptete Bartholy zärtlich und lächelte Boesherz dabei unwirklich an.
» Wenn ihr Psychologen doch nur nicht alle selbst verrückt wärt. Wie war das? Dem Reiz, bei einer Mordserie nicht nur dabei zu sein, sondern sogar noch Einfluss darauf zu haben, konntest du einfach nicht widerstehen. Einen wie Drexler konntest du nach Belieben manipulieren, oder?«
Linda lachte verzweifelt auf.
» Du hörst einfach zu aufmerksam hin! Weißt du, es ist unglaublich faszinierend, zu welchen Grausamkeiten ein Mensch imstande ist, wenn man ihm nur die Verantwortung dafür abnimmt.«
Der Rettungsmediziner und die Polizeibeamten hatten jetzt die Treppe nach oben zum Dachboden erreicht. Den beiden blieben nur noch Sekunden allein.
» Ich schicke dir den Rosenstrauß ins Gefängnis«, versprach Boesherz und zog seine Handschellen aus der Tasche.
Bartholy streckte ihre Hände freiwillig aus, bevor sie mit erhobenem Haupt sagte: » Darauf, dass alles so endet, wie wir es uns wünschen.«
» Was meinst du, wem das Haus wohl gehört?«, fragte Dennis, nachdem Linda Bartholy von einer weiblichen Beamtin abgeführt worden war.
» Das sind Details«, erhielt er zur Antwort. » Linda hat sich jahrzehntelang mit den raffiniertesten Killern beschäftigt, die es gibt. Die werden ihr schon ihre Tricks verraten haben, wie man zu einem sicheren Versteck für seine Leichen kommt.«
Dennis sah sich um. Fassungslos erkannte er, dass das Schrecklichste, das er in Tanjas kaltem, übel riechendem Verlies ausmachen konnte, nicht der zerbrochene Stuhl mit den verkrusteten Blutspuren und Fäkalien daran war. Auch nicht der jämmerliche Heizlüfter mit den Aufklebern aus den Achtzigerjahren, der weiter vor sich hin brummte und fast erbärmlich wirkte bei seinem scheinbaren Versuch, gegen die übermächtige Kälte anzukämpfen. Das Schlimmste an diesem unwirtlichen Ort war der Tisch, vor dem Tanja während ihres gesamten Martyriums festgebunden gewesen war. Er war so reich gedeckt, dass van Beuten sich mehrere Tage lang von dem Obst, dem Brot, der Wurst und dem Käse darauf hätte ernähren können. Die rettende Nahrung, ebenso wie die Werkzeuge
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