Bis in den Tod hinein
uns mal einen Busfahrer, ob er zum Zoo fährt. Der antwortet dann: Warum hat man Sie da eigentlich jemals rausgelassen?« Boesherz schmunzelte. » Das ist nett gemeint, man muss es nur verstehen. Berliner sind eben so– Herz und Schnauze!«
» Zeig mir doch einfach mal ein bisschen was von deiner Stadt«, hakte Boesherz ein. » Viel von Berlin habe ich nämlich bisher noch nicht gesehen. Nur Tote.«
Noch bevor Olivia darauf antworten konnte, erschien ein Kollege der Schutzpolizei an der Wohnungstür und richtete das Wort an den Hauptkommissar.
» Hier ist die Frau, die das Opfer gefunden hat. Soll ich sie reinlassen?«
Boesherz sah sich in der kleinen Wohnung um, in der die Mitarbeiter des Erkennungsdienstes noch immer mit ihrer Arbeit beschäftigt waren.
» Natürlich«, antwortete er dann. » Und sagen Sie ihr, sie soll noch ein paar Freundinnen mitbringen.« Nachdem der verunsicherte Beamte darauf nicht reagierte, fügte Boesherz hinzu: » Wir kommen raus!«
Gemeinsam mit Olivia trat er in den Flur des Hauses, das erst vor wenigen Jahren renoviert worden war. Sofort fielen ihre Blicke auf eine kleine Frau in abgelaufenen Hausschuhen, die über ihrem Trainingsanzug einen blauen Bademantel trug und deren Hautbild nicht nur Boesherz auf jahrelangen Tabakkonsum schließen ließ.
» Ich bin schuld an seinem Tod«, begann sie ansatzlos, noch bevor die Kommissare sich ihr vorgestellt hatten.
Boesherz ertappte sich dabei, dass er die Frau mit seinen Blicken unwillkürlich auf Kampfverletzungen und Schmauchspuren an den Händen überprüfte. Zweifellos, so erkannte er, konnte sie nicht die Mörderin von Kai Jurek sein.
» Ich bin Hauptkommissar Boesherz, und das ist meine Kollegin, Oberkommissarin Holzmann«, stellte er sich nun vor.
» Mantwied. Ich bin… also… ich war eine Nachbarin von Kai. Ich wohne dahinten, die letzte Wohnung im Flur. Wir haben abends manchmal zusammengesessen. Die Gegend hier ist sehr anonym, da war es angenehm für mich, jemanden im Haus zu kennen. Hier wohnen fast nur Alleinstehende.«
» Und aus welchem Grund fühlen Sie sich für seinen Tod verantwortlich?«
Die Frau wirkte abwesend. Nicht nur, dass sie in der Nacht die Leiche gefunden hatte– Jureks Tod schien ihr auch aus persönlichen Gründen sehr nahegegangen zu sein. Ihr glanzloser Blick ging ins Leere, als sie antwortete.
» Ich habe ihn nach Hause kommen sehen. Mein Fenster liegt zur Straße raus. Da habe ich ihn auf dem Handy angerufen und gefragt, ob er noch Zigaretten hat. Er hatte auch keine mehr, also habe ich ihn gebeten, welche mitzubringen. Es gibt einen Automaten hinter dem Park. Ohne meinen Anruf wäre er einfach ins Haus gegangen und würde noch leben.«
Olivia atmete erleichtert aus.
» Frau Mantwied, wir haben allen Grund zu der Annahme, dass Herr Jurek vorsätzlich und geplant ermordet wurde. Der Täter hat ihm vermutlich aufgelauert. Sie hätten es nicht verhindern können.«
» Im Gegenteil«, brachte sich auch Boesherz ein. » Durch Ihren Anruf haben Sie den Mörder in Schwierigkeiten gebracht, und das war für unsere Ermittlungen sehr hilfreich. Kannten Sie Herrn Jurek sehr gut?«
» Schon.«
» Wir nehmen an, dass er in der Vergangenheit etwas getan hat, das von öffentlichem Interesse war. Irgendeine Verstrickung in eine Angelegenheit, über die in den Medien berichtet wurde. Haben Sie da eine Idee?«
Mantwied sah sich misstrauisch im Hausflur um. Die Schutzpolizei war überall im Gebäude auf der Suche nach Zeugen, zudem ging der Erkennungsdienst ein und aus. Jureks Tod hatte, so paradox es auch erschien, Leben in das ansonsten stille Haus gebracht.
» Kommen Sie doch in meine Wohnung«, bat sie daher. » Hier stehen bestimmt alle an ihren Türspionen und hören zu.«
Die drei gingen kurzerhand zum Ende des Flures und betraten die Wohnung der Zeugin. Eine Katze schlief gemütlich auf dem Wohnzimmersessel, und es war viel freundlicher und liebevoller eingerichtet als bei Jurek.
» Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihn deswegen…«, beteuerte Mantwied kopfschüttelnd, während sie ihre Gäste aufforderte, Platz zu nehmen.
Severin Boesherz blieb jedoch lieber stehen. Er wollte seinen Kaschmirmantel vor den Haaren des Haustieres schützen, die es offensichtlich auf allen Sitzmöbeln hinterlassen hatte. Von den Frauen unbemerkt aktivierte er stattdessen die Fernbedienung der Standheizung seines Phaetons. Schließlich würde er in wenigen Minuten ins LKA aufbrechen.
Nachdem sich
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