Bis in den Tod hinein
nützt uns gar nichts. Wir setzen weiter alle Energien auf die Rasterfahndung. Mit den neuen Erkenntnissen können wir die möglichen Verdächtigen jetzt schon ziemlich effektiv eingrenzen. Diese Dr. Bartholy arbeitet dazu gerade ein paar brauchbare Ideen aus. So nutzlos scheint sie gar nicht zu sein.«
Olivia war von den Worten ihres Kollegen angenehm überrascht. Ihre Augen begannen zu leuchten, als sie entgegnete: » Und unattraktiv ist sie auch nicht, oder?«
Ohne es selbst zu bemerken, ruckelte Boesherz an seiner Krawatte und schob den Bierdeckel, der vor ihm auf dem Tisch lag, grundlos zur Seite.
» Sie mag keine Opern«, erwiderte er lapidar.
Olivia atmete schwer aus.
» Mann, Severin, viele Menschen können mit Opern nichts anfangen! Wenn du nicht bis ans Ende aller Zeiten allein bleiben willst, dann musst du mal damit beginnen, Kompromisse zu schließen. Bartholy sieht gut aus, ist in deinem Alter, befasst sich beruflich mit denselben Dinge wie du, wohnt nicht weit von Berlin weg und ist auch noch Single. Vielleicht wollte das Schicksal ja, dass Jack euch beide zusammenführt.«
» Du meinst, das Schicksal will mich so verzweifelt unter die Haube bringen, dass es bereit ist, für mein Glück jeden Tag zwei Menschen sterben zu lassen?«
Olivia verdrehte nur die Augen und trank noch einmal von ihrem Milchshake. Nach kurzem Überlegen sagte sie: » Gib’s zu, du bist doch in Wirklichkeit genauso wie ich. Du willst eigentlich gar keine feste Beziehung. Du genießt es in Wirklichkeit, Single zu sein. Im Gegensatz zu mir gestehst du es dir nur nicht ein.«
Boesherz wusste Olivias Fürsorge zu schätzen, dennoch hielt er ihr entgegen: » Ich habe sie gerade erst heute Morgen kennengelernt. Die erste Prüfung hat sie überstanden, alles an ihr ist stimmig, sie passt in mein Schema, und ja, ich werde sie auch privat treffen. Aber im Augenblick will ich etwas anderes: Ich will Jack schnappen! Und ich will die Menschen retten, die noch auf seiner Liste stehen. Sicher, das sind alles Tierquäler, Kriminelle und Asoziale. Aber dieser Killer läuft komplett unbehelligt in der Gegend rum und versucht, Berlin von allem zu reinigen, was er für Ungeziefer hält. Da kann ich mich nicht mit der Frage beschäftigen, ob mir irgendeine Dr. Linda Bartholy gefällt oder ob ich mich in meinem tiefsten Innern nicht eigentlich nach einem Leben als Eremit sehne.«
Olivia war klar, dass Boesherz gerade mit einem schwer zu widerlegenden Argument versuchte, vom Thema abzulenken.
» Ich habe mich mit ihr unterhalten. Über dich«, blieb sie daher unbeeindruckt am Ball.
» Über meine Kleidung und darüber, dass ich Opern liebe«, nahm Boesherz vorweg, doch Olivia ging nicht darauf ein.
» Sie findet dich interessant«, fuhr sie stattdessen fort. » Und sie scheint ziemlich genau alles an dir zu schätzen, was uns anderen so gewaltig auf die Nerven geht. Und übrigens: Ihre Handtasche ist echt!«
» Jenau, die sollen se suchen, nich diesen Mörder!«, rief jetzt wieder der Mann am Tresen durch den Gastraum. Das Lokal war um diese Zeit nur spärlich besucht.
» Tanja van Beuten, international angesehenes Topmodel und Juryvorsitzende der Erfolgsshow Dein Catwalk, bleibt weiter verschwunden«, erklärte der Nachrichtensprecher in sachlichem Ton. Dann wurden in einem kurzen Einspielfilm die Ereignisse der vergangenen Tage zusammengefasst, bis schließlich Veit Venske mit ernstem Blick im Bild erschien.
» Familie, Fans und Kollegen unterstützen die Suche nach Tanja, und auch die Polizei unternimmt alles, was in ihrer Macht steht, um sie zu finden«, begann er, bevor er direkt in die Kamera sah und einen Hauch zu theatralisch zu van Beuten persönlich sprach: » Tanja, wenn du einfach nur untergetaucht bist, wenn dir das alles zu viel geworden ist, die Verantwortung, die Medien – dann bitte: Gib uns allen noch einmal die Chance, es in Zukunft besser zu machen!«
Olivia und Severin hatten sich dem Fernseher kurz zugewandt, sofort nach dem pathetischen Auftritt des Produzenten aber wieder das Interesse an dem Bericht verloren.
» Um das jetzt mal abzuschließen: Bartholy kommt heute Abend auf einen Quercus bei mir vorbei. Und jetzt, bitte, lass uns nicht länger über Frauen reden. Wir haben nämlich ein ganz anderes Problem.«
Olivia lächelte zufrieden, verstand dann aber, dass Boesherz mit dem Treffen an der Friedrichstraße offenbar ein Anliegen verband, auf das er bislang noch gar nicht zu sprechen gekommen war.
»
Weitere Kostenlose Bücher