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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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tragen zu können. Zuvor zog er dem jungen Mann aber noch die Winterjacke über, die er im Flur gefunden hatte, streifte ihm die wärmsten Schuhe über die Füße, die er in dem furchtbaren Gewühl der Wohnung entdeckt hatte, und legte dann die Wolldecke bereit, mit der er Moldenhauers Beine vor der Kälte schützen würde. Erst dann packte Anselm sein Opfer erneut mit der Kraft, die seine Entschlossenheit ihm verlieh, schleifte es auf den Balkon hinaus und hievte es unter Stöhnen auf den Klappstuhl, vor dem der Wasserbehälter auf einer umgedrehten Bierkiste stand. Das Salz hatte den Gefrierpunkt herabgesetzt, sodass das Wasser nun noch eisigere Temperaturen würde annehmen können, ohne dabei zu erstarren. Sicherheitshalber entleerte Drexler aber noch zwei weitere Packungen Kochsalz in den Behälter, bevor er Moldenhauers Jackenärmel hochkrempelte, dessen Unterarme in das Wasser tauchte und sie an den Handschellen fixierte, die auf dem Boden des Gefäßes installiert waren. Jetzt konnte es nur noch Sekunden dauern, bis Steve zu sich kommen würde. Drexler ging daher noch einmal in die kleine Wohnung zurück und stellte den Fernseher noch etwas lauter ein.

37
    Steve Moldenhauer schrie sogar noch mehr, als Anselm es erwartet hatte. Nicht einmal La Maire, der Feinkosthändler, schien noch mehr gelitten zu haben, während die Ratten seine Bauchdecke durchgenagt hatten, um sich in dessen Eingeweide zu flüchten. Und auch Nils Rau, der Brandstifter, war nicht lauter gewesen, als die Flammen ihm bei lebendigem Leib die Haut auf dem Gesicht hatten schmelzen lassen. Moldenhauer kniff verzweifelt die Augen zusammen, biss in die Mullbinden in seinem Mund, keuchte, schnaubte, zitterte und wand sich. Mit enormen Kräften zog und riss er immer wieder an den Handschellen, die seine Unterarme in den Eiskübel zwangen, der mittlerweile den Gefrierpunkt erreicht hatte. Anselm gab noch eine weitere Packung Salz in das Wasser und sprach Moldenhauer dann in ruhigem, aber bedrohlichem Ton an: » In den ersten Minuten werden Ihre Arme rot. Ihr Organismus wehrt sich nämlich mit aller Kraft gegen die Kälte, deswegen durchblutet er sie sehr stark. Das führt dann zu einer Weitstellung Ihrer Kapillaren.«
    Während Moldenhauers Handgelenke zu bluten begannen, schien die Vereisung wie mit Millionen kleiner Nadeln erbarmungslos in seine Haut zu stechen, so lange, bis dem jungen Mann die Kälte schließlich wie unerträgliche Hitze vorkam. Hinzu kam, dass der hohe Salzanteil im Wasser geradezu beißende Schmerzen an den Wunden der Handgelenke verursachte. Anselm seinerseits regte sich kaum, er stand nur da und achtete nervös darauf, dass der Wasserkübel nicht umkippte. Ansonsten betrachtete er das Schauspiel mit unermüdlichem Interesse.
    Ein Blitz zuckte auf und erhellte die Nacht für den Bruchteil einer Sekunde. Kurz darauf folgte ein weiterer.
    » Phase eins endet gleich«, stellte Anselm fest, nachdem er zwei Polaroidfotos von den Leiden seines Opfers gemacht und sie in seiner Hemdtasche verstaut hatte.
    Jetzt trat er etwas näher an den jungen Mann, dessen unterdrückte Schreie allmählich kraftloser wurden.
    » Ist das erheiternd, Herr Moldenhauer? Ist es ein schönes Gefühl, wenn andere sich eigenmächtig über Ihr Recht auf Wohlergehen und körperliche Unversehrtheit hinwegsetzen und Sie nichts dagegen tun können? Wie ist es? Wie fühlt es sich an, tot zu sein?«
    Moldenhauers Haut begann bereits kleine Bläschen zu bilden. Seine obere Hautschicht löste sich langsam von den unteren ab. Tatsächlich zeigte sein Gewebe jetzt dieselben Erscheinungen, die auch eine Verbrennung hervorrufen würde.
    » Warten Sie, ich habe noch etwas«, kündigte Anselm an, nachdem Moldenhauer kalkweiß im Gesicht geworden war. » Verstehen Sie das aber bitte nicht falsch, ich meine es nicht als Akt der Gnade.« Mit diesen Worten zog er ein weiteres Morphiumpflaster aus seiner rechten Hosentasche und klebte es Moldenhauer in den Nacken. Ohne das Morphin würde dieser die dritte Phase der Vereisung nämlich kaum noch bei Bewusstsein erleben.
    Olivia war sich nicht sicher, ob sie stolz sein oder sich lieber über sich selbst ärgern sollte. Natürlich, der Fall Moldenhauer war in den Medien präsent, aber andererseits waren dies auch diverse andere Fälle von Gewaltverbrechen. Außerdem waren die Kollegen durchaus vorgewarnt, und schließlich konnte sie die Welt nicht im Alleingang retten. Dennoch fuhr Holzmann unbeirrt den beschwerlichen Weg durch

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