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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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das verschneite Berlin, von nichts anderem getrieben als von einer unbestimmten Ahnung, die sie selbst nicht einmal hätte erklären können.
    Du gehst da einfach kurz hoch und fragst ihn, ob irgendwas Besonderes passiert ist. Dann wartest du noch eine Weile vor seinem Haus. – Verdammt, ich bin so was von müde … Was mache ich hier eigentlich?
    Olivia brauchte kein Navigationsgerät, sie kannte Berlin wie ihre Westentasche. Eine Viertelstunde, so schätzte sie, würde sie noch bis zu ihrem Ziel benötigen.
    » Kommt schon, Jungs, baut mich auf!«, sprach sie dann zu ihrem CD -Spieler und betätigte zwei Knöpfe, woraufhin die Rockband Billy Talent mit dem Song Viking Death March aus den Boxen der Musikanlage erklang.
    Olivia hatte ein ganzes Jahr lang keine Musik mehr angeschaltet, und das, obwohl die Songs ihrer Lieblingsband ihr immer dann Kraft gegeben hatten, wenn sie kurz vor dem Aufgeben stand. In dieser Nacht, das konnte sie deutlich spüren, würde sie diese Motivation ganz sicher benötigen.
    » Ich nehme an, dass sich jetzt langsam die ersten Nekrosen bilden«, erklärte Anselm sachlich. » Die Zellen in Ihrer Haut spielen bei den Temperaturen nicht mehr länger mit, die Zellwände reißen.«
    Anselm trat noch ein Stück näher an Steve Moldenhauer heran, um genau beobachten zu können, in welchen Schritten sich dessen Haut nun verfärbte. Zunächst wurde sie blass, gleich müsste sie einen bläulichen Ton annehmen, danach würde sie schwarz werden. Anselm musste den blauen Moment abpassen, wenn alles exakt nach seinem Plan verlaufen sollte.
    Während der ganzen Zeit seines kaum vorstellbaren Leidens hatte Steve Moldenhauer zu kämpfen versucht, geschrien und geflucht. Er hatte immer wieder probiert, ob er nicht einfach den Kübel umkippen konnte, doch das viele Wasser darin machte ihn einfach zu schwer. Abgesehen davon, dass Anselm zu jeder Zeit weniger als einen Meter entfernt gestanden und den Kübel bewacht hatte.
    Noch einmal erhellten zwei kurz aufeinanderfolgende Blitze die Nacht, als Drexler erneut das Fortschreiten von Moldenhauers Erfrierungen dokumentierte. Die Bilder, die er angefertigt hatte, erschienen ihm nun ausreichend, um schließlich zum perfiden Finale seines Spiels kommen zu können. Die Haut seines Opfers hatte sich währenddessen blau gefärbt, sodass es nun unbedingt erforderlich war, dessen Arme aus dem Eiswasser zu befreien, um sie danach im Innern der Wohnung aufzuwärmen. Anselm zog die Pistole seines Großvaters aus der rechten Innentasche seines Mantels und hielt sie Steve Moldenhauer an die Stirn.
    » Ich mache Sie jetzt los«, kündigte er an, und im Hinblick auf die Umstände bedurfte es keiner weiteren Erklärungen.
    Allein die wenigen Sekunden, in denen Drexler seine eigene Hand in das Eiswasser tauchen musste, um die Handschellen aufschließen zu können, waren für ihn kaum zu ertragen. Er musste sich zusammenreißen, um nicht vor lauter Schmerz versehentlich den Abzug seiner Waffe durchzudrücken, was vermutlich Moldenhauers halben Schädel gegen die Balkonwand hätte splittern lassen. Doch Drexler wusste sich zu beherrschen. Genau betrachtet verstand er eigentlich von kaum etwas anderem mehr.
    Längst schon nicht mehr Herr seiner Sinne, riss Moldenhauer instinktiv seine blau gefrorenen Unterarme aus dem Wasser und sank, sich vor Schmerzen krümmend, zu Boden. Anselm packte ungerührt den Kragen von dessen dicker Winterjacke und schleifte Steve daran mühsam in dessen Wohnung zurück.
    » Von unserer Seite gibt es bisher nichts Besonderes«, berichtete Judith Beer, nachdem Olivia sie noch einmal telefonisch dazu befragt hatte, ob die Kollegen von der Streife bei ihren Kontrollfahrten etwas Auffälliges vor Moldenhauers Haus bemerkt hatten. » Also, mir müsste ja was fehlen, mitten in der Nacht zu diesem Arschloch zu fahren. Aber gib bitte trotzdem Bescheid, wenn du bei ihm warst, okay?«
    » Okay«, bestätigte Olivia, beendete das Gespräch und stieg aus ihrem Wagen.
    Als sie an dem hohen, umzäunten Gebäude entlang zum Haupteingang lief, streiften ihre Blicke über die zahlreichen Balkone der kleinen Wohnungen. Sie konnte nichts Besonderes darauf erkennen, außer dass in fast allen Wohnungen Licht brannte.
    » Du könntest jetzt schön einen Tee trinken und danach gemütlich ins Bett gehen«, rügte sich Olivia selbst, bevor sie die Klingelschilder nach dem von Moldenhauer absuchte. Mehrmals betätigte sie sodann den Klingelknopf, doch es erfolgte keine

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