Bis in den Tod
denkst du, was für ein Beweis das ist, Mavis?«
»Keine Ahnung. Du hasst mich doch jetzt nicht, oder?«
»Meine Liebe, ich bete dich geradezu an. Trink aus.«
»Wirklich?« Sie hob das Glas gehorsam an den Mund. »Ich habe dich echt gerne, Roarke, und zwar nicht nur, weil du steinreich bist oder so. Auch wenn es gut ist, dass du all die Kohle hast, denn schließlich ist es Scheiße, wenn man arm ist, habe ich nicht Recht?«
»Natürlich hast du Recht.«
»Aber so oder so, machst du sie einfach glücklich. Sie weiß gar nicht, wie glücklich du sie machst, weil sie nie zuvor in ihrem Leben jemals glücklich war. Hast du das gewusst?«
»Ja. Und jetzt atme dreimal hintereinander ganz tief durch. Fertig? Eins.«
»Okay.« Sie tat wie ihr befohlen und sah ihm dabei mit großen, ernsten Augen ins Gesicht. »Du hast Talent, die Leute zu beruhigen. Obwohl ich wette, dass sie das nicht so einfach mit sich machen lässt.«
»Nein, das tut sie nicht. Bei ihr klappt so was nur, wenn sie nicht merkt, dass man es tut.« Er sah Mavis lächelnd an. »Wir beide kennen sie ziemlich gut, findest du nicht auch?«
»Wir lieben sie sogar. Es tut mir so entsetzlich Leid.« Die Tränen, die sie jetzt vergoss, waren besänftigend und weich. »Ich habe die ganze Sache erst richtig kapiert, als ich die Diskette, mit der ich hierher gekommen bin, abgespielt habe. Erst da habe ich wirklich begriffen, worum es bei der Sache geht. Es ist eine Kopie der Vorarbeiten zu meinem Video. Ich habe sie heimlich aus dem Studio mitgenommen. Ich wollte sie als Erinnerung. Aber im Anschluss an die gemeinsamen Aufnahmen hat er noch ein paar Anmerkungen gemacht.«
Sie blickte auf ihre Hände. »Vorhin war das erste Mal, dass ich das Ding abgespielt, dass ich es ganz gehört habe. Er hat Dallas eine Kopie davon gegeben, aber am Ende dieser Diskette sind noch seine persönlichen Anmerkungen zu… «, sie brach ab und sah Roarke mit plötzlich trockenen Augen an. »Ich will, dass du ihm dafür weh tust. Ich will, dass du ihm schrecklich weh tust. Sieh dir das Ding ab der von mir markierten Stelle an.«
Schweigend erhob sich Roarke von seinem Platz, schob die Diskette in den Schlitz der Entertainment-Anlage, und sofort füllte sich das Zimmer mit Licht und mit Musik, bevor das Volumen und die Helligkeit herunterfuhren und im Vordergrund Jess Barrows Stimme erklang.
»Ich bin mir nicht sicher, wie das Ergebnis des Versuchs aussehen wird. Eines Tages werde ich den Schlüssel dazu finden, um direkt die Quelle anzuzapfen. Bisher kann ich nur Spekulationen über die Wirkung meiner Erfindung anstellen. Die Suggestion soll die Erinnerung des Angesprochenen wecken. Sie soll früher erlebte Traumata wieder hervorrufen. Irgendetwas muss hinter den dunklen Flecken in Dallas’ Hirn versteckt sein. Etwas Faszinierendes. Was wird sie, nachdem sie die Diskette gehört hat, träumen? Wie lange wird es dauern, bis ich sie dazu verführen kann, all diese Dinge mit mir zu teilen? Was für Geheimnisse hat diese Frau? Es ist ein solcher Spaß, mir diese Fragen zu stellen. Ich warte nur auf die Gelegenheit, mich auch in Roarkes dunkle Seite einzuklinken. Oh, er hat ganz sicher eine dunkle Seite, und zwar so dicht unter der Oberfläche, dass man sie beinahe sieht. Es macht mich geil, daran zu denken, dass der Kerl sie flach legt und dabei die Bestie, die in seinem Innern lauert, mühsam unterdrückt. Ich kann mir keine faszinierenderen Versuchspersonen vorstellen. Gott segne Mavis dafür, dass sie mir diese Tür geöffnet hat. Innerhalb von sechs Monaten werde ich die beiden so gut kennen, werde ich ihre Reaktionen so gut voraussehen können, dass ich sie ohne jede Mühe genau dorthin bringen können werde, wo ich sie haben will. Dann habe ich endlich alle Grenzen überwunden. Dann werde ich reich, berühmt, allgemein bewundert. Ich werde der verdammte Vater der virtuellen Sinnesfreuden sein.«
Als der Monolog vorbei war, blieb Roarke wie versteinert sitzen. Er zog die Diskette nicht aus dem Schlitz hervor, denn ansonsten hätte er sie sicher mit bloßer Hand zerquetscht.
»Ich habe ihm bereits ziemlich weh getan«, erklärte er mit vor Schmerz gedehnter Stimme. »Aber das war noch nicht genug. Das war bei weitem nicht genug.« Er wandte sich an Mavis, die aufgesprungen war und in ihrem schmal geschnittenen, pinkfarbenen Kleid zart wie eine Elfe, zugleich jedoch tapfer wie ein Ritter mit gestrafften Schultern vor ihm stand. »Du bist dafür nicht
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