Bis in den Tod
dabei?«
Es war nicht einfach, seine Würde zu bewahren, wenn man wie Eve mit der Nase gegen Marys Armbeuge gedrückt wurde. »Wofür?«
»Wir haben was zu essen bestellt und ihr müsst euren Anteil selbst zahlen.«
»Kein Problem. Ist Roarke schon da?«
»Ich habe keinen Roarke gesehen. Mavis sagt, dass man ihn nicht verfehlen kann, weil er einfach fantastisch aussieht.«
Die schallgeschützten Türen des Fahrstuhls glitten auf, doch noch ehe Eve aufgeatmet hatte, wurden ihre Ohren von Mavis’ schrillem Kreischen und dröhnenden Bässen attackiert.
»Sie ist wirklich klasse.«
Einzig ihre tiefe Zuneigung zu Mavis hinderte Eve daran, sofort zurück in den Lift zu hechten. »Ja.«
»Ich hole euch erst mal etwas zu trinken. Jess’ Spezialgebräu.«
Mary trottete davon und ließ Eve und Peabody in dem gläsernen, halbrunden Kontrollraum zurück, der eine halbe Etage über dem Studio lag, in dem sich Mavis das Herz und die Lunge herausbrüllte. Grinsend trat Eve näher an die Scheibe, um die Freundin besser zu sehen.
Mavis hatte ihr langes Haar mit einem vielfarbigen Band auf ihrem Schädel aufgetürmt, so dass es sich wie eine purpurne Fontäne um ihren Kopf ergoss. Sie trug ein hautenges, bunt schillerndes Kostüm, das von ihrer Taille bis knapp unter den Po ging und das einzig dank der schwarzen, mitten über ihre blanken Brüste verlaufenden Lederbänder nicht an ihr herunterrutschte. Ihre nackten Füße tanzten auf einem Paar hochmoderner Gleiter, deren zehn Zentimeter lange Stöckelabsätze ihre Beine noch schlanker wirken ließen, als sie es bereits waren.
Eve hatte keinen Zweifel, dass das Outfit von Mavis’ Freund entworfen worden war. Sie erblickte Leonardo, der in einem hautengen Overall, in dem er aussah wie ein eleganter Grizzly, in einer Ecke des Studios hockte und Mavis strahlend ansah.
»Was für ein Paar«, murmelte sie und schob die Daumen in die Gesäßtaschen ihrer zerknitterten Jeans. Sie drehte den Kopf, um etwas zu Peabody zu sagen, bemerkte jedoch zu ihrer Überraschung, dass diese teils schockiert, teils bewundernd und teils lüstern in eine völlig andere Richtung sah.
Sie folgte Peabodys träumerischem Blick und bekam den ersten Eindruck des Musikgenies Jess Barrow. Er war ein Bild von einem Mann. Ähnlich einem beweglichen Gemälde mit einer langen, seidig schimmernden Mähne wie aus blank polierter Eiche und silberfarbenen, von dichten Wimpern eingerahmten Augen, deren Blick konzentriert auf die Kontrollpaneele vor ihm gerichtet war. Er hatte einen makellosen, bronzefarbenen Teint, abgerundete Wangenknochen, ein kraftvolles Kinn, volle, feste Lippen und Hände wie eine Marmorstatue.
»Ziehen Sie die Zunge wieder ein, Peabody«, schlug Eve der Freundin vor. »Sonst treten Sie noch drauf.«
»Gott. Großer Gott. In natura sieht er noch besser aus als in den Videos. Würden Sie nicht auch gerne einfach in ihn reinbeißen?«
»Nicht unbedingt, aber tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
Peabody errötete bis unter die Haarwurzeln und trat verlegen von einem Bein aufs andere. Schließlich war es ihre Vorgesetzte, die derart zu ihr sprach. »Ich bewundere halt einfach sein Talent.«
»Peabody, Sie bewundern seinen Brustkorb. Ist auch wirklich ansehnlich, so dass ich Ihnen Ihr Starren kaum vorhalten kann.«
»Ich wünschte, er würde ihn mir vorhalten«, murmelte Peabody und räusperte sich, als Big Mary mit zwei dunkelbraunen Flaschen in den Pranken hereingetrampelt kam. »Jess kriegt das Zeug von seiner Familie im Süden. Ist wirklich nicht schlecht.«
Da die Flaschen nicht mal etikettiert waren, machte sich Eve darauf gefasst, einen Teil ihrer Magenwände opfern zu müssen, und so war sie angenehm überrascht, als der erste Schluck geradezu seidig weich durch ihre Kehle rann. »Wirklich nicht übel. Danke.«
»Wenn Sie was in die Kasse werfen, kriegen Sie noch mehr. Ich soll wieder runter, um auf Roarke zu warten. Wie ich höre, hat er so viel Kohle, dass er drin baden kann. Wie kommt es also, dass Sie als seine Frau nicht eleganter rumlaufen?«
Eve beschloss, den großen Diamanten besser unerwähnt zu lassen, der unter ihrem Hemd verborgen lag. »Meine Unterwäsche ist aus purem Gold. Manchmal zwickt sie etwas, aber sie verleiht mir ein Gefühl der Sicherheit.«
Nach kurzem Überlegen brüllte Mary vor Lachen auf, schlug Eve derart kräftig auf den Rücken, dass ihre Stirn gegen den Hals der Flasche schlug, und machte sich mit ihrem breitbeinigen Schaukelgang auf den
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