Bis in den Tod
überstürzen will.« Sie richtete sich wieder auf und winkte den Schaulustigen in den Fliegern übermütig zu. »Bisher habe ich die verdammten Leute vom Fernsehen gehasst. Kann ich gar nicht mehr verstehen. Schließlich liebe ich euch alle!« Bei diesem letzten Satz warf sie theatralisch die Arme in die Luft.
»Das ist schön, Cerise. Warum kommen Sie nicht kurz noch mal zu mir herauf? Ich gebe Ihnen ein paar Informationen zu unserer Hochzeitsreise. Exklusiv, nur Ihnen.«
Cerise bedachte sie mit einem Lächeln. »Uh-uh-uh«, lehnte sie die Offerte wieder beinahe spielerisch mit einem Kichern ab. »Warum kommen Sie stattdessen nicht einfach hierher zu mir? Dann können Sie mich begleiten. Ich sage Ihnen, einen größeren Kick gibt es ganz sicher nicht.«
»Hören Sie, Ms. Devane«, setzte der Seelenklempner an. »Wir alle haben Augenblicke der Verzweiflung. Das verstehe ich. Ich bin ganz in Ihrer Nähe. Ich bin für Sie da. Ich verstehe, was Sie plagt.«
»Sparen Sie sich das Gesülze.« Cerise wedelte ihn achtlos von sich fort. »Ich rede mit Eve. Komm zu mir, meine Süße. Aber nicht zu nah.« Sie schüttelte die Dose mit dem Tränengas und kicherte erneut. »Komm und spring einfach mit.«
»Lieutenant, ich würde Ihnen nicht empfehlen – «
»Halten Sie die Klappe und warten Sie auf meine Assistentin«, herrschte Eve ihn an, während sie bereits ein Bein über das Stahlgeländer schwang und neben Cerise auf dem schmalen Sims des Daches Platz nahm.
Siebzig Stockwerke über der Erde auf einem kaum sechzig Zentimeter breiten Sims wirkte der Wind nicht mehr ganz so angenehm wie vorher. Hier zerrte er, unterstützt von den Luftströmen der Flieger, wild an ihren Kleidern und peitschte eisig ihre Haut. Sie befahl ihrem Herzen, möglichst gleichmäßig zu schlagen, und presste sich mit dem Rücken an die Wand.
»Ist es nicht wunderschön hier?«, fragte Cerise mit einem Seufzer. »Jetzt hätte ich gern noch ein Glas Wein, Sie nicht? Nein, besser noch ein Riesenglas Champagner. Ich bin sicher, dass einem Roarkes Siebenundvierziger Jahrgang jetzt wie flüssiges Gold durch die Kehle rinnen würde.«
»Ich glaube, wir haben noch eine Kiste davon zu Hause. Gehen wir doch einfach und machen eine Flasche auf.«
Cerise bedachte sie mit einem Lächeln. Es war das gleiche breite Lächeln, erkannte Eve erschrocken, das sie im Gesicht des jungen Mannes auf Olympus gesehen hatte, als sein Hals in einer selbst geknüpften Schlinge hing. »Ich bin bereits trunken vor Glück.«
»Wenn Sie derart glücklich sind, weshalb sitzen Sie dann nackt auf diesem Sims und ziehen in Erwägung, in den Tod zu springen?«
»Genau das ist es ja, was mich so glücklich macht. Es ist mir unbegreiflich, dass Sie das nicht verstehen.« Cerise legte den Kopf in den Nacken und schloss selig ihre Augen. Eve wagte es und schob sich ein paar Zentimeter dichter an die andere Frau heran. »Es ist mir wirklich unbegreiflich, weshalb niemand das versteht. Es ist einfach herrlich. Es ist aufregend. Es ist der ultimative Kick.«
»Cerise, wenn Sie von diesem Sims springen, werden Sie nie wieder irgendeinen Kick erleben. Dann ist es endgültig vorbei.«
»Nein, nein, nein.« Ihre Augen waren glasig, als sie die Lider langsam wieder aufschlug. »Begreifen Sie denn nicht? Das ist erst der Anfang. Oh, wir sind alle derart blind.«
»Was auch immer passiert ist, kann bereinigt werden. Das weiß ich ganz genau.« Eve legte vorsichtig eine Hand auf ihren Arm. Das Risiko fest zuzupacken, ging sie jedoch nicht ein. »Es geht nur darum zu überleben. Sie können Dinge ändern, Sie können Dinge besser machen, aber um das zu tun, müssen Sie leben.«
»Wissen Sie, wie mühselig das ist? Und was für einen Sinn sollten all die Anstrengungen haben, wenn gleichzeitig so viel Glück auf einen wartet? Ich fühle mich fantastisch. Nicht.« Kichernd richtete Cerise die Flasche mit dem Tränengas auf Eves Gesicht. »Jetzt verderben Sie nicht alles. Schließlich amüsiere ich mich prächtig.«
»Es gibt Menschen, die in Sorge um Sie sind. Sie haben eine Familie. Cerise. Sie werden beliebt.« Eve versuchte sich zu erinnern, ob es Kinder, einen Mann oder Eltern gab. »Wenn Sie wirklich springen, tun Sie ihnen damit weh.«
»Nur, solange sie es nicht verstehen. Aber es wird der Tag kommen, an dem jeder mich versteht. Dann wird alles besser. Dann wird alles gut.« Sie bedachte Eve mit einem träumerischen Blick und verzog den Mund erneut zu dem erschreckend breiten
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