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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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aufschwatzen.« Ein Lieblingsthema seiner Mutter.
    Marvel hat ausgerechnet an diesem Tag mal nicht an das Casting gedacht. Er war zum ersten Mal seit einer Woche morgens aufgewacht, ohne zu denken: Ob sie heute wohl anrufen? Er hat in der Schule zugehört und sich sogar auf Diskussionen über so abwegige Dinge wie Silbentrennungen in Computerprogrammen eingelassen, ohne gleichzeitig zu denken, ob man bei der Multimedia in Hamburg vielleicht gerade darüber abstimmte, wer der neue Max in Coole Zeiten wird. Oder ob wichtige Männer in schicken Anzügen sich die Szene auf einem coolen Flachbildschirm
wieder und wieder in einem coolen Konferenzraum angucken und nicht fassen können, wie gut dieser Marvin Keller ist. Er hat tatsächlich an diesem Tag nicht eine einzige Sekunde an den Film gedacht.
    Und ausgerechnet dann passiert es und seine Mutter nimmt das Gespräch entgegen. Er will sich lieber nicht ausmalen, wie seine Mutter mit denen geredet hat!
    Sie stehen in der Küche. Seine Mutter lehnt am Herd und Marvel steckt halb im Kühlschrank. Er sucht eigentlich nichts Bestimmtes, aber solange er den Kühlschrank durchwühlt, muss er seine Mutter nicht angucken.
    »Es geht da angeblich um einen Film«, sagt seine Mutter. Sie sagt es so, als habe jemand vom Krötenverein angerufen und gefragt, ob sie Mitglied werden will.
    »Ja, und?« Marvel heuchelt totales Desinteresse. Er macht das gut. Dabei liegen seine Nerven blank. Red schon!, denkt er. Mach hin! Spuck’s aus! Klappt es oder nicht?
    »Nichts und«, sagt seine Mutter heiter. »Das war’s schon.«
    Hey, denkt Marvel, spinn ich, oder was? Er schlägt die Kühlschranktür zu. Er dreht sich um.
    Seine Mutter hat die Hände vor der Brust verschränkt und sieht ihn an. »Gibt es da irgendwas, was ich wissen sollte, Marvin?«, fragt sie. Sie fragt es mit dieser Stimme, die kein bisschen Spielraum für Scherze lässt. Es ist die Stimme, die sie benutzte, als sie rauskriegte, dass er mal ihre Unterschrift unter eine Klassenarbeit gefälscht hat.
    »Hieß die Frau vielleicht Wanda?«, fragt Marvel.
    Seine Mutter lässt ihn nicht aus den Augen. »Wanda?« Sie tut, als überlege sie.
    Sie will mich quälen, denkt Marvel.
    Schließlich schüttelt sie den Kopf. »Nee, der Name sagt mir nichts.«

    »Wer dann? Wer?« Marvel versucht sich an den Namen der Regisseurin zu erinnern.
    »Wie haben die sich denn gemeldet?«, fragt Marvel.
    Seine Mutter lässt ihn nicht aus den Augen. »Was glaubst du?«, fragt sie.
    O Gott, wie er das hasst! Er verdreht die Augen, geht auf seine Mutter zu, bis sie fast mit den Stirnen zusammenstoßen. »Ich weiß es nicht, Mama!« Er zögert. »Vielleicht Multimedia?«
    »Richtig«, sagt seine Mutter. »Das war’s, glaub ich.«
    Marvel bekommt einen heißen Kopf. Er zieht mit einem Fuß einen Küchenstuhl heran und setzt sich. Er sitzt sehr aufrecht. So aufrecht sitzt er nur, wenn er sehr ungeduldig oder sehr angespannt ist.
    »Und? Was wollten die?«
    Seine Mutter geht zum Kühlschrank, holt eine Flasche Milch heraus, geht zum Küchenschrank, nimmt ein Glas und schenkt sich Milch ein.
    »Ich dachte bis jetzt …«, seine Mutter dehnt die Worte, »… dass wir uns immer alles erzählen.«
    »Tun wir doch auch! Mann, Mama! Jetzt mach doch kein Fass auf! Bloß weil irgendjemand von einer Fernsehfirma hier angerufen und nach mir gefragt hat.«
    »Es hätte mir aber besser gefallen, wenn ich nicht wie eine dumme Kuh gewirkt hätte. Wenn ich nicht gesagt hätte: Mein Sohn hat bei Ihnen nicht vorgespielt, das wüsste ich nämlich, Sie haben sich verwählt. Findest du es komisch, wenn deine Mutter sich zum Affen macht? Ich nicht.«
    Marvel hat genug. Er springt auf und nimmt seiner Mutter das Milchglas aus der Hand. »Nein, ich finde es nicht komisch!«, schreit er. »Es tut mir leid! Aber darf ich endlich wissen, was diese Leute wollten?«
    »Ich hab aufgelegt.«

    Marvel starrt sie an. Er kann nicht fassen, dass seine Mutter so was macht.
    »Aufgelegt??«
    Er rauft sich die Haare, er wirbelt herum und stößt dabei mit dem Ellenbogen fast die Supermarkttüte um, aber seine Mutter hatte schon immer schnelle Reaktionen. Musste ich haben, sagt sie immer, weil man dich als Kleinkind keine Viertelsekunde aus den Augen lassen konnte.
    »Reg dich nicht auf. Sie haben ja noch mal angerufen, kaum dass ich aufgelegt hatte. Sie haben gesagt, dass du die Rolle hast. Kannst du mir jetzt bitte erzählen, worum es eigentlich geht, Marvin? Du bist fünfzehn und ich bin

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