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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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deine Mutter!«
    Marvin starrt seine Mutter an. Plötzlich bricht es aus ihm heraus. »Ich hab die Rolle?«, brüllt er. »Ich hab die Rolle! O Mann!« Er packt seine Mutter, zieht sie an sich und schmatzt ihr einen Kuss auf die rechte und einen Kuss auf die linke Wange. »Ist das wirklich wahr? Haben sie das wirklich gesagt?«
    »Neben dem Telefon liegt ein Zettel. Du sollst die Nummer anrufen, sobald du zu Hause bist. Sie haben versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, aber das war tot.«
    Stimmt! Seine Prepaid-Karte war leer.
    Marvin stürzt in den Flur, findet den Zettel, greift sich das Telefon, stürzt ins Wohnzimmer, lässt sich auf das blaue Sofa fallen und hat die Nummer schon gewählt, bevor sein Hintern den Stoff richtig berührt.
    »Hier spricht Marvin Keller!«, brüllt er. »Ich hab gehört, dass ich mich melden soll!«
    Pause. Am anderen Ende sagt schließlich jemand, er werde weiterverbinden.
    Dann klickt es in der Leitung, und jemand sagt: »Hallo?«
    »Hier ist Marvin Keller. Ich soll mich bei Ihnen melden!«
    »Gib mir einen Tipp. In welcher Angelegenheit?«

    »Es geht um die Rolle des Max in Coole Zeiten! Für die Soap!«
    Aus den Augenwinkeln sieht er, wie seine Mutter ins Zimmer kommt. Sie setzt sich auf die äußerste Kante des gelben Sessels. Sie sitzt auch sehr gerade, weil sie angespannt ist. Wahrscheinlich hat er das von ihr.
    »Eine Soap?«, fragt seine Mutter mit schmalen Lippen.
    Marvel wedelt ungeduldig mit der Hand. Er will nicht, dass sie ihm jetzt dazwischenquatscht.
    »Sekunde«, sagt der Mann in der Leitung, »ich hol Biggi ans Telefon.« Dann hört er, wie jemand brüllt: »Biiiiiggiiii! Ich hab deinen Max an der Strippe!«
    Und dann hört Marvel, obwohl das nicht einfach ist, weil seine Mutter die Balkontür aufgemacht hat und der Straßenlärm nach oben dringt, dass die Regisseurin etwas ruft wie: »Prima!«, dann hört er Schritte, die hallen, als würde jemand durch die Abwasserkanäle der Hansestadt laufen, und plötzlich ist da die Stimme der Regisseurin. »Hi Marvin. Schön, dass du anrufst.«
    Und als er Ja sagt, stößt sie einen Seufzer der Erleichterung aus. »Endlich! Wunderbar! Marvin, du hast die Rolle!«
    Das hat er zwar schon von seiner Mutter gehört, aber es ist ganz etwas anderes, das noch einmal von der Frau, die wirklich diesen Film dreht, bestätigt zu bekommen.
    »Wie schnell kannst du hier sein, damit wir die Details besprechen können? Du weißt, wir sitzen wie auf Kohlen.«
    »Von mir aus gleich«, sagt Marvin.
    »Gut, prima. Halbe Stunde?«
    »Eine Stunde wär besser. Ich weiß nicht, wie die Züge fahren.«
    »Nimm ein Taxi!«, ruft die Regisseurin. »Lass dir einen Beleg geben!« Damit legt sie auf.
    Marvel ist außer Atem, als er den Hörer auflegt.

    Seine Mutter sitzt noch immer auf der Sesselkante.
    »Und?«, fragt sie.
    Marvel will an seiner Mutter vorbei, besinnt sich, bleibt stehen und lächelt sie an. »Alles in Ordnung. Ich soll ein Taxi nehmen. Kannst du mir mit ein bisschen Geld aushelfen? Kriegst du bestimmt zurück!«
    Seine Mutter folgt ihm in den Flur, während er seine Schlüssel zusammensucht und seinen Personalausweis - den brauchen sie bestimmt, denkt er -, nimmt seine Mutter drei Zehneuroscheine aus ihrer Brieftasche und hält sie ihm hin.
    »Ich frage mich immer, wo dein Geld bleibt«, sagt sie.
    Das willst du nicht wissen, Mama, denkt Marvel. Er zerrt die Jacke vom Haken, zieht sie an.
    »Marvin! Ich hab dich was gefragt.«
    Marvel dreht sich in der Wohnungstür um, lächelt seine Mutter an. »Wir reden nachher, Mama.«

5
    Dieses Mal ist alles anders als bei seinem ersten Besuch bei Studio Hamburg. Nicht dass der Pförtner ihn schon mit Namen kennt, aber er spürt offenbar, dass der Typ da vor ihm, der gerade aus dem Taxi gestiegen ist, ein sicheres Auftreten hat. Dass er weiß, wo er hinwill. Er checkt nur kurz Marvels Namen, als Marvel sagt, er muss ins Studio 9 A. »Den Weg kennst du?«
    »Aber logo!« Marvel fühlt sich in diesem Augenblick schon fast wie ein Star. Die Hände tief in den Hosentaschen, schlendert er lässig, aber zielstrebig an den Breitband-Kantinenfenstern vorbei. »Da sitz ich auch bald«, sagt er, als eine der Frauen am Fenstertisch plötzlich den Kopf hebt und ihn anschaut. »Wärmt schon mal meinen Platz an.« Ihm war lange nicht mehr so leicht ums Herz, trotz aller Aufregung. Wenn er jetzt sein Spiegelbild in der Fensterscheibe sehen könnte - der Typ da würde ihm gefallen. Er könnte sich zuzwinkern

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