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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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sagte die Mutter.
    Der Junge schaute sich nach Bine um. Bine streckte ihm die Zunge raus. Der Junge überlegte kurz und streckte ihr dann seine entgegen. Bine lachte.
    »Was ist mit dem Geld?«, fragte sie.
    Marvel musste sich mehrfach räuspern, bis er mit der Frage rauskam, ob Bine sich erinnern könne, wie das an dem Abend mit seinem Geld gewesen sei. Weil sie doch wohl bezahlt habe, aus seinem Portemonnaie, oder sehe er das falsch?
    »Das siehst du ganz richtig«, sagte Bine. »Du warst ja total breit. Mann, war echt grenzwertig.«
    Marvel verzog das Gesicht. »Tut mir leid.«
    »Ich dachte schon, du spuckst mich voll«, sagte Bine. »Darauf hatte ich keinen Bock, deshalb bin ich nicht mit dir nach Hause.«
    Marvel runzelte die Stirn. Hatte er Bine etwa aufgefordert, mit zu ihm nach Hause zu kommen?

    »Ich weiß nicht mehr, wie viel das gekostet hat«, sagte Bine, »war aber eine Stange Geld. Ich musste dem Kellner noch hinterher, weil er irgendwie nicht mit dem Wechselgeld rausrücken wollte. Ich hab’s dir aber genau gesagt. Ich glaub, ich hab ihm zehn Euro Trinkgeld gegeben. Wieso? Fehlt was?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Marvel. »Kommt mir so vor.«
    Bine sagte darauf nur: »Aha.« Das Thema Geld war wohl nicht ihr Lieblingsthema.
    Der nächste Kunde wollte wissen, ob Bine eine Ahnung habe, wo das Funkbüro sei. Bine wusste es. Sie konnte den Weg in wenigen Worten sehr gut erklären.
    Marvel war beeindruckt.
    »Willst du was trinken?«, fragte Bine.
    Marvel betrachtete das Angebot. Es gab Kiwi, Ananas, Apfel, Banane, Orange, Möhre und Mango. Alle Säfte gemixt oder auch pur.
    »Weiß nicht«, meinte Marvel. »Was ist denn lecker?«
    »Mango-Banane«, erwiderte Bine. »Das schmeckt nach Fernweh.«
    Marvel lächelte. »Okay«, sagte er, »dann Mango-Banane.«
    Er sah zu, wie Bine etwas Eis und die beiden Säfte in den Mixer gab, einmal alles aufschäumte und den Mix dann in ein hohes Glas mit Strohhalm schüttete.
    Marvel kramte in seinen Hosentaschen. Münzen trug er jetzt immer lose in der Tasche. Das klimperte so schön und wirkte irgendwie cool.
    »Geht aufs Haus«, erklärte Bine.
    »Nee, komm.«
    »Doch, ich lad dich ein.«
    »Echt?«
    Bine sah ihn an. »Mann, denkst du, du bist der Einzige auf der Welt, der dicke Hosen hat?«

    Marvel wurde rot. Er wusste nicht genau, was sie damit meinte. Er stellte sich brav etwas abseits, als ein weiterer Kunde kam, schlürfte die Mango-Banane-Pampe durch den Strohhalm und versuchte herauszufinden, ob der Geschmack bei ihm Fernweh auslöste. Tat er aber definitiv nicht.
    Durch die Lautsprecher wurden unentwegt Gleisänderungen, Abfahrzeiten und Verspätungen durchgegeben.
    »Wenn du glaubst, ich hab dich beklaut, dann sag es«, forderte Bine, als sie wieder allein waren.
    Marvel wurde rot. »Hab ich das gesagt?«
    »Ich weiß nicht mehr, was du gesagt hast, aber ich weiß, wie du es gesagt hast.«
    »Und wie?«
    »Als hätte ich dich beklaut.«
    »Nein, verdammt! Das denke ich nicht!«
    »Dann ist es ja gut, denn sonst hättest du eins auf die Nase gekriegt.«
    Die nächste Kundin, die eine starke Brille trug, wollte einen großen Becher Möhrensaft. Bei dem Wort »groß« warf Bine ihm einen triumphierenden Blick zu.
    »Ich hab eben im Zug in einer Zeitung gelesen, dass in Möhren viel Karotin ist«, sagte die Frau.
    »Daher auch das Wort Karotten«, erwiderte Bine.
    »Was? Ach? Ja, und das Karotin soll gut für die Augen sein.«
    »Bestimmt«, sagte Bine. »Macht drei Euro fünfzig.«
    Als sie wieder allein waren, fragte Marvel, wann sie Feierabend habe.
    »Sieben Uhr«, antwortete Bine. Die große Bahnhofsuhr zeigte da genau dreizehn Uhr zehn. »Aber heute Abend kann ich nicht.«
    Marvel wartete. Plötzlich spürte er seinen Herzschlag. Irgendwie erwartete er, dass sie jetzt gleich sagen würde, sie sei
mit ihrem Freund verabredet. Und er wusste plötzlich, dass ihn das stören würde, wenn sie einen Freund hätte. Aber Bine sagte gar nichts.
    Und deshalb sagte Marvel: »Also dann, mach’s gut.«
    »Tschö mit ö«, sagte Bine, ohne ihm noch einmal in die Augen zu sehen, denn da wartete bereits ein neuer Kunde.
    Und er dachte: Das war’s dann. Die muss ich auch nicht wiedersehen.
    Aber da irrte er.
    Auf einmal kann Marvel sich nämlich einen Tag ohne Bine gar nicht mehr vorstellen. Bine kennt immer einen Ort, wo sie hinkönnen, egal ob es regnet oder gutes Wetter ist. Irgendeinen schönen, trockenen Platz, wo sie sitzen, auf die Elbe oder die Schrebergärten

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