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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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die Hände in die Matratze, um nicht aus dem Karussell ins Bodenlose zu fallen.

9
    B ully, Mauki und Jojo finden, dass der Abend im MOVES geil gewesen ist. Eine ganze Woche lang schwärmen sie den Mitschülern in jeder Pause von den scharfen Weibern, den geilen Cocktails und der hammerharten Musik im MOVES vor. Sie wollen die anderen eifersüchtig machen und neidisch, ganz klar.
    Marvel sagt dazu nichts. Er lächelt nur und blickt durch die Gläser seiner neuen Ray-Ban-Sonnenbrille ins Leere.
    Seit dem Absturz am Wochenende hat er oft den Wunsch, ins Leere zu starren. Er kann ganz lang einfach nur dasitzen und an gar nichts denken. Manchmal überkommt ihn die Angst, dass ihm ein paar Gehirnzellen abhandengekommen sind. Manchmal träumt er nachts von kleinen grünen Männchen, die sich Hut und Mantel anziehen und dann kolonnenweise aus seinem Gehirn marschieren.
    Manchmal lacht er über diese komischen Träume.
    Es gibt aber auch Momente - besonders dann, wenn er in der Zeitung liest, wie viele Gehirnzellen bei einer Trunkenheit absterben -, in denen er das Ganze ernster nimmt. In den Momenten beschließt er, dem Alkohol abzuschwören. Und meint es in dem Augenblick auch so.
    Andererseits sagt er sich, dass er ja noch gar nicht wirklich angefangen hat. Er ist jung. Erst fünfzehn. Da kann man was vertragen. Und soooo viele Biere waren es auch noch nicht, die er in seinem Leben schon weggedrückt hat. Da gibt es ganz andere Kaliber an seiner Schule.

    Onkel Herbie muss seinen Laden schließen. Wegen fortgesetzten Alkoholverkaufs an Minderjährige. Er hat mehrere Bußgeldverwarnungen ignoriert und jetzt ist Schluss mit lustig.
    Marvel findet es im Grunde gar nicht so schlecht, dass Onkel Herbie nach der Schule nicht mehr lockt. Aber das darf er seinen Freunden nicht sagen. Für seine Freunde ist das Ende von Onkel Herbie so eine Art Weltuntergang.
    Sie verstehen nicht, wieso Marvel sich gar nicht darüber aufregt. Sie finden überhaupt, dass Marvel sich verändert, und zwar rasend schnell.
    Marvel hat jetzt Geld und jede Woche wird er ein bisschen berühmter. Das sind die Fakten. Er hat seiner Mutter eine Espressomaschine gekauft. Und für sich Klamotten. Seine Klamotten sind jetzt definitiv zwei Klassen besser als alles, was sonst an seiner Schule getragen wird. Jojo, Mauki und Bully nehmen das zur Kenntnis, ohne es groß zu kommentieren.
    Jeden Freitag, wenn die Serie läuft, wird Marvel ein bisschen berühmter. Dadurch wächst Woche für Woche die Kluft zwischen ihnen. Ob sie es nun wollen oder nicht.
    Von der Fete in der BRÜCKE haben sie aus der Morgenpost erfahren. Auf der Klatschseite war sein Name fett gedruckt. MARVIN KELLER. Maukis Mutter hat es zuerst entdeckt und die Zeitung auf den Küchentisch gelegt, sodass Mauki sie fand, als er aus der Schule nach Hause kam.
    »Das ist strange«, sagte Mauki zu Jojo am Telefon, als er ihm davon berichtete, »dass einer von uns fett gedruckt in der Zeitung steht!«
    »Ja«, erwiderte Jojo.
    Dann schwiegen sie eine Weile.
    »Dabei«, erklärte Jojo schließlich, »ist die Serie eigentlich scheiße.«
    Mauki lachte still in sich hinein. »Stimmt.«

    Marvel spürt auch, dass sich etwas zwischen ihnen verändert hat. Er kann es nicht mit Händen greifen. Er kann es nicht in Worte fassen, doch sie ist da, sie existiert - diese feine Trennungslinie zwischen ihm und seinen alten guten Kumpels.
    Zum Beispiel erwähnen sie die Soap überhaupt nicht mehr. Sie rufen nicht an, nachdem sie freitagabends gelaufen ist. Er sitzt zu Hause allein oder mit seiner Mutter und DocMike vor der Glotze. Er muss das sehen, er will das sehen. Er findet die Serie gut, gut gemacht. Er findet sich selbst nicht wirklich gut, er könnte viel besser sein, wird vielleicht auch viel besser, wenn’s weitergeht, aber er findet sich auch nicht schlecht.
    Ich kann aufrecht durch Hamburgs Straßen gehen, denkt er, ich muss mich nicht schämen. Laut sagt er so was nicht. Aber wenn er in eine U-Bahn steigt, dann will er schon wissen, ob die Leute sich nach ihm umgucken oder nicht. Manchmal tun sie es und dann geht es ihm gut.
    Auch das erzählt er seinen Freunden nicht. Zusammen fahren sie nur noch selten irgendwohin. Marvel geht jetzt immer häufiger seiner eigenen Wege. Und die führen ihn fast immer zum Hauptbahnhof.
    Im Hauptbahnhof gibt es einen Schlemmermarkt. Dort haben sie für die Fahrgäste, die in Hamburg ein-, aus- oder umsteigen, ein riesiges Angebot an Speisen. Es gibt einen Italiener, einen

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