Bis nichts mehr ging: Protokoll eines Ausstiegs (German Edition)
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Einmal war es so extrem, dass ich mich hinter meinen Schreibtisch im Produktionsraum ganz langsam auf den Teppich legen und dabei die Luft anhalten musste, weil selbst das Atmen weh tat. Liegen war die einzige Position, in der ich das Ziehen, Drücken, Reißen und Stechen einigermaßen ertragen konnte. Nach einer halben Stunde auf dem Boden konnte ich mich so weit zusammenreißen, dass ich in der Lage war, zum Orthopäden zu fahren. Die Praxis liegt nur fünf Autominuten von der Redaktion entfernt. Meine Sekretärin kündigte mich telefonisch an, damit ich schnell drankomme. Ich krümmte mich auf der Liege im Behandlungszimmer, und der Arzt gab mir eine Spritze zur Entspannung. Zehn Minuten später fühlte ich mich wie ein junger Gott.
Doch Anfälle wie dieser häufen sich seitdem. Mittlerweile fahre ich alle paar Wochen in die Praxis, um mich spritzen zu lassen.
«Sie sollten unbedingt Ihren Rücken stärken», sagte der Orthopäde bei meinem letzten Besuch.
«Ja, und wie?»
«Machen Sie Übungen und gehen Sie schwimmen.»
«Übungen?»
«Hier haben Sie einen Zettel, da sind sie erklärt. Jeden Morgen, am besten auch noch mal abends.»
Auf dem Merkblatt turnt ein Strichmännchen. Die Übungen dienen angeblich dem Aufbau von Muskeln entlang der Wirbelsäule. In keiner Position sieht das Männchen so aus, als habe es Spaß an dem, was es da macht. Ich stellte mir mich nach dem Aufstehen in den Positionen des Strichmännchens vor. Schon auf der Rückfahrt in die Redaktion war mir klar, dass ich diese komischen Verrenkungen nicht machen würde.
Die Folge: Ich gehe oft wie ein Achtzigjähriger, bin kaum mehr in der Lage, eine Einkaufstüte die Treppen hoch in meine Wohnung zu tragen – eine Kiste Bier wäre mein Rückentod. Jeden Morgen versuche ich, nach dem Duschen im Badezimmer eine aufrechte Haltung anzunehmen. Sosehr ich mich anstrenge, es gelingt mir fast nie. Über meiner linken Hüfte ist ein Knick. Als hätte mir dort einer mit dem Baseballschläger einen mitgegeben. Ich sehe aus, als würde ich mein Becken die ganze Zeit nach rechts und meinen Oberkörper gleichzeitig nach links drücken. Manche Kollegen können nicht anders, als über meine eigenartige Haltung zu lachen. Tatsächlich tue ich ihnen wahrscheinlich leid. Ich bin gerade mal Mitte dreißig und ein Bewegungskrüppel.
Als mir der Schmerz jetzt in den Rücken sticht, kommt es mir vor wie ein Signal, das auf Dunkelrot schaltet.
Hau ab, verdammter Stress!
Was wäre eigentlich, wenn ich mal loslassen, spontan ein paar Tage freinehmen würde? Dann würde sich noch mehr Arbeit stauen. Dann würde ich das alles nicht mehr schaffen. Und dann käme die Angst. Angst, vor lauter Arbeit unterzugehen, die Kontrolle zu verlieren, im unaufhörlichen Kampf gegen die Zeit zu unterliegen. Passiert ist das noch nie. Der Angst ist das egal, sie kommt trotzdem. Immer öfter. Ich glaube, kein anderes Gefühl ist mir gerade so vertraut.
Es ist die gleiche Angst, die in mir aufstieg, als ich vor zwei Jahren an dem Morgen aufwachte, an dem ich die erste Konferenz leiten sollte. Nach den ersten Tagen dachte ich damals, die Routine würde die Angst vertreiben, mich ruhiger machen. Ich warte noch immer darauf, dass das passiert.
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Angeeckt
März 2007
Morgenkonferenz. Die Ressortleiter, ein paar Redakteure, ein Polizist, der in seiner Vorbereitung auf den höheren Dienst bei uns zwei Tage hospitiert, und ich. In der Blattkritik, zu der wir heute den Chef des Mietervereins eingeladen haben, schneidet unser Lokalteil als der beste der Stadt ab. Wir haben die perfekte Boulevardgeschichte im Blatt: Der Innensenator jagt seit Monaten Zweite-Reihe-Parker. Dank eines Tipps aus seinem Umfeld haben wir gestern seinen Dienstwagen vor der Behörde im Parkverbot erwischt. Stundenlang stand das Fahrzeug in zweiter Reihe auf der Straße. Das Foto ist für den Politiker ein Schlag ins Gesicht. Peinlicher geht’s nicht. Der Sprecher des Senators windet sich in dem Artikel. Die Story wird zum Stadtgespräch. Die pikierte Reaktion aus der Behörde bestätigt das. Not amused sei man darüber, dass wir das falsch geparkte Dienstauto mit einem Bild des Senators zeigten, auf dem er lachend auf die Kamera zuschlendert, das Sakko lässig über die Schulter geworfen. Entstanden ist die Aufnahme, als der Senator ein halbes Jahr zuvor nach einem Schwächeanfall aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Das Archivfoto in diesem Zusammenhang rauszukramen, sei
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