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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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unterschiedlichen Orten studieren müssen. Damit will ich nicht sagen, dass diese Ängste nicht berechtigt sind, aber bei mir ist es genau das Gegenteil. Ich habe mehr Angst davor, genau den Studienplatz zu bekommen, den ich will, und danach vielleicht genau in dem Job zu landen, den ich will. Ich habe Angst, dass von außen alles perfekt aussieht, ich aber nie irgendetwas wirklich Besonderes tun oder denken werde. Verstehst du? Selbst wenn oberflächlich betrachtet alles gut wäre, würde ich wissen, dass ich versagt habe … und zwar nicht in so etwas Unwichtigem wie der Schule, sondern im Leben .« Er stockt und atmet tief durch.
    Willow drückt seine Hand. »Erzähl weiter.«
    »Na ja, das klingt jetzt vielleicht wie ein blödes Beispiel, aber ich hab dir doch neulich halb im Scherz gesagt, dass ich mich auf so einer Reise zu Feldforschungszwecken, wie deine Eltern sie gemacht haben, vielleicht nicht wohlfühlen würde, weil ich nun mal auf tägliches Duschen stehe. Manchmal habe ich Angst, dass ich mein ganzes Leben danach ausrichte, was am bequemsten und einfachsten ist. Dass ich zu sehr darauf achte, was mir guttut, um jemals ein echtes Risiko einzugehen. Und dass ich, selbst wenn ich es tun würde, scheitern würde.«
    Willow erwidert darauf nichts. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, darüber nachzugrübeln, was er gesagt hat und zu begreifen, warum er, obwohl er sich so vollständig entblößt und verwundbar gemacht hat, auf sie umso stärker wirkt.
    »Aber in letzter Zeit habe ich mir um solche Dinge nicht allzu oft den Kopf zerbrochen«, fügt er hinzu. »Im Moment habe ich wohl am meisten Angst davor, dass ich es nicht schaffe, dich zu beschützen.«
    Sie ist viel zu erstaunt, um etwas zu sagen, und sieht ihn einfach nur mit großen Augen an. Sie drückt seine Hand noch ein bisschen fester und nimmt wahr, wie er sich ihr ganz langsam, fast wie in Zeitlupe, nähert. Ihr kommt es vor, als würden sie beide im luftleeren Raum schweben, und sie weiß, dass er sie küssen wird.
    »Ähem.«
    Hastig weichen sie voneinander zurück, als ein Museumsaufseher den Raum betritt und sich vernehmlich räuspert.
    Guy grinst sie schief an. Obwohl er bestimmt nicht gerne unterbrochen wurde, kann er darüber lachen.
    Sie hingegen hat ganz andere Gefühle. So unglaublich gern sie ihn geküsst hätte, irgendwie ist sie erleichtert, dass der Museumsangestellte es verhindert hat. Ihr klopft das Herz bis zum Hals. Aus Verlegenheit genauso wie aus Furcht und gespannter Erregung. Wie sich der Kuss wohl angefühlt hätte?
    Jetzt ist sie diejenige, die Angst hat, wahnsinnige Angst. Nicht vor ihm, sondern vor ihren Gefühlen für ihn.
    Habe ich es dir nicht gesagt? Habe ich dir nicht gesagt, dass es so kommen würde?
    Sie hätte es wissen müssen. Es war ihr doch eigentlich vom ersten Moment an klar, dass das passieren würde, als sie sich mit ihm in der Bibliothek unterhalten hat – so wie sie sich fast noch nie mit jemandem unterhalten hat. Und sie hat doch auch versucht, es zu verhindern. Sie hat ihn abblitzen lassen, als er sie an diesem Tag nach Hause begleiten wollte.
    Was ist aus dem Versprechen geworden, das sie sich selbst gegeben hat? Sie hätte ihn gestern Abend niemals anrufen dürfen. Wie konnte sie nur so viel Zeit mit ihm verbringen und zulassen, dass sie einander so nahekommen, dass er ihr sogar seine geheimsten Ängste anvertraut?
    Am meisten erschreckt sie, dass sie zugelassen hat, dass er sich in ihre Gedanken und Gefühle einschleicht und ihr so verdammt viel bedeutet.
    Das Schweigen zwischen ihnen wird allmählich unbehaglich. Sie spürt, dass er darauf wartet, dass sie den Anfang macht und auf das, was er ihr gerade gestanden hat, reagiert. Am meisten wartet er vielleicht darauf, dass sie in irgendeiner Form auf seinen Versuch, sie zu küssen, reagiert. Und sie würde so gerne, aber sie kann nicht. Sie kann ihm nicht sagen, wie viel er ihr bedeutet, weil sie genau das nicht zulassen darf.
    Willow gerät fast in Panik. Sie muss weg, bevor alles noch komplizierter wird, weiß aber nicht, wie sie es anstellen soll zu gehen, ohne ihn komplett vor den Kopf zu stoßen.
    »Oh, schon ganz schön spät. Und inzwischen hat es bestimmt auch aufgehört zu regnen. Ich sollte langsam mal nach Hause und endlich mit dem Essay anfangen«, sagt sie schließlich und weiß sofort, dass es Schlimmste ist, was sie sagen konnte. Guy sieht aus, als hätte ihm jemand einen Fausthieb versetzt.
    »Endlich mit dem Essay anfangen?«,

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