Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
Vom Netzwerk:
wiederholt er ungläubig. »Soll das ein Witz sein? Das ist alles, was dir dazu einfällt?« Er weicht vor ihr zurück und stößt sie gleichzeitig von sich. Von den zärtlichen langsamen Bewegungen von vorhin ist nichts mehr übrig. Offensichtlich möchte er genauso schnell von ihr wegkommen wie sie von ihm. »Gut, sehr gut, dann tu das doch. Ich glaube, ich gehe in die Bibliothek und versuche, noch ein bisschen zu arbeiten.« Seine Stimme ist kühl. Sie weiß, dass er verletzt und verwirrt ist.
    »Nein, warte. Ich komme mit«, sagt sie hastig. Jetzt sieht er noch verwirrter aus. Kein Wunder. Sie weiß, wie schizophren sie sich anhören muss, nachdem sie ihm gerade eine Abfuhr erteilt hat. Aber sie schafft es einfach nicht, sich jetzt schon von ihm zu trennen.
    Außerdem würde sie es nicht ertragen, ihn mit diesem Ausdruck im Gesicht zurückzulassen.
    »Wenn du unbedingt willst«, sagt er zögernd. »Dann lass uns von hier abhauen.«
    Es hat tatsächlich aufgehört zu regnen. Sogar die Sonne scheint wieder, und es weht eine milde Brise.
    »Tja, ich muss wie immer ins Magazin, willst du mitkommen?«, fragt Guy, ohne sie dabei anzusehen. Willow wundert sich. Wieso fragt er sie überhaupt? Im umgekehrten Fall hätte sie wahrscheinlich nicht einmal mehr mit ihm geredet. Aber vielleicht geht es ihm ja wie ihr, und er spürt, dass noch irgendetwas Unausgesprochenes zwischen ihnen in der Luft hängt.
    Sie nickt. »Okay.«
    Schweigend gehen sie über den Campus zur Bibliothek. Nachdem Willow kurz Carlos Hallo gesagt hat, fahren sie mit dem Aufzug in den elften Stock. Wie immer haben sie das Magazin für sich. Guy drückt auf den Schalter und Willow blinzelt ein paarmal gegen das plötzlich aufblendende Licht an.
    »Was du vorhin im Museum gesagt hast … Also, dass du … dass du so ehrlich warst, das bedeutet mir viel«, stammelt sie plötzlich ohne Überleitung. Sie greift nach seinem Handgelenk und zieht ihn näher zu sich heran. »Und bitte glaub nicht, dass ich dich nicht gern geküsst hätte. Aber ich darf dich nicht küssen. Du verstehst das wahrscheinlich nicht, aber ich darf nicht.«
    Guy löst sich sanft aus ihrem Griff und legt ihr beide Hände auf die Schultern. »Du hast recht«, sagt er. »Ich ver stehe es nicht.« Aber seine Stimme klingt nicht mehr kühl.
    »Ich werde dir jetzt was erzählen, nein, ich will dir etwas erzählen«, verbessert Willow sich. Sie hat eine Entscheidung getroffen. Er hat so viel für sie getan und ihr so viel gegeben, dass sie ihm unbedingt etwas davon zurückgeben möchte. Sie legt ihre Hand auf seine. »Aber hier ist es zu ungemütlich. Komm, lass uns wieder da rübergehen.« Sie führt ihn an die Stelle, an der sie neulich schon gesessen haben, als sie sich über den Vortrag ihrer Eltern unterhielten.
    »Also, ich werde dir jetzt etwas erzählen«, wiederholt sie, während sie sich im Schneidersitz auf den Boden setzt und ihn zu sich herunterzieht, so nah, dass sich ihre Schultern berühren.
    »Okay.« Guy wirkt noch ein bisschen reserviert, aber sein Gesichtsausdruck ist gespannt.
    »Also gut.« Sie holt tief Luft. »Nach dem Unfall lag ich eine Woche im Krankhaus. Mir fehlte eigentlich nichts, aber sie wollten mich wohl noch eine Weile zur Beobachtung dabehalten. Das Gute war, dass ich so unter Beruhigungsmitteln stand, dass ich nicht wirklich begriff, was passiert war. Das heißt, ich wusste natürlich, was passiert war, aber etwas zu wissen und etwas zu begreifen sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ich hab die meiste Zeit geschlafen, war höchstens zwei, drei Stunden am Tag wach.« Sie hält einen Moment lang inne, um ihre Gedanken zu ordnen.
    »Dann kamen David und Cathy und holten mich ab. Sie hatten mich natürlich die ganze Zeit über besucht, aber an dem Tag kamen sie, um mich nach Hause zu bringen, also zu ihnen nach Hause. Es gab keine andere Lösung, ich konnte nicht ins Haus von meinen Eltern zurück und alleine dort leben, und David wollte nicht aus der Stadt weg. Er hat mit der Schule vereinbart, dass ich ein paar zusätzlich Hausarbeiten machen kann, um das Schuljahr ordnungsgemäß abzuschließen. Ich war früher immer Klassenbeste und bis zu den Ferien waren es sowieso nur noch acht Wochen.« Willow schweigt eine Weile. Sie hat noch nie mit jemandem über das gesprochen, was sie ihm gleich erzählen wird, und es fällt ihr schwer.
    »Die Zeit danach war ganz schlimm. Im Krankenhaus war ich wie in einer Art schützendem Vakuum, aber bei David und Cathy zu

Weitere Kostenlose Bücher