Bis unter die Haut
an, als würden sie die Antwort auf alle Geheimnisse des Lebens enthalten, und fährt dann mit zitternden Händen fort, die Bücher einzuräumen, wobei ihr jedoch ein paar herunterfallen.
»Schaust du dir eigentlich manchmal die Titel von den Schinken hier an?«, fragt Guy, als er die Bücher für sie aufhebt und ihr reicht. »Ich meine, hör dir das mal an: Protokoll des Vierten Internationalen Kongress der Litauischen Entomologen . Wer veröffentlicht denn so was? Und wer leiht es sich aus? Und ich dachte, ich würde auf merkwürdigen Kram stehen!«
»Das ist noch gar nichts.« Willow schafft es sogar zu lachen. »Wenn du schon vor einer halben Stunde hier gewesen wärst, hätte ich auch noch Das Leben entlang der Südmandschurischen Eisenbahnlinie – Forschungsergebnisse aus den Jahren 1907–1945 zu bieten gehabt.«
»Okay, das hast du erfunden, gib’s zu!«
»Hab ich nicht, ich schwöre! Fünfter Stock, wenn du mir nicht glaubst!«
»Na schön, ich glaub dir.« Guy lächelt sie an. »Wie lange musst du eigentlich noch?«
Willow schaut auf die Uhr. »Noch ungefähr … oh, genau genommen gar nicht mehr. Ich hab Schluss.«
»Hast du Lust, in den Park zu gehen? Es ist total schönes Wetter draußen. Oder möchtest du lieber in das Café, in dem wir neulich waren?«
»Lieber in den Park, wenn es schon so schön draußen ist«, antwortet sie, während sie auf den Aufzug zugehen. »Aber wenn du lieber ins Café willst, komme ich auch gern mit.« Die Türen öffnen sich und sie treten ein.
»Nein, nein, Park ist super«, versichert ihr Guy.
Sie fahren schweigend nach unten und gehen zur Ausleihe.
»Hey, Carlos.« Willow holt ihre Sachen unter der Theke hervor. »Ich bin jetzt weg. Bis in ein paar Tagen.«
»Viel Spaß!« Carlos zwinkert ihr zu, was Willow geflissentlich ignoriert.
»Bist schon mal auf dem Fluss gewesen«, fragt Guy, als sie das Gebäude verlassen und über den Campus schlendern. Willow ist erleichtert, dass er Carlos ’ Zwinkern nicht mitbekommen zu haben scheint oder es zumindest nicht erwähnt.
»Du meinst, in einem Boot?«, fragt sie verwirrt zurück.
»Kennst du eine andere Möglichkeit, sich auf dem Fluss aufzuhalten?«
»Äh … schwimmend?«
»Okay, gewonnen. Aber ich meinte schon in einem Boot. Wenn du Lust hast, nehme ich dich irgendwann mal zum Rudern mit, das solltest du dir echt nicht entgehen lassen. Heute können wir ja wenigstens schon mal am Wasser entlangspazieren, okay?« Sie sind mittlerweile im Park angekommen und er führt sie einen schmalen, von Kastanien beschatteten Weg zum Fluss hinunter.
»Es ist wunderschön hier«, sagt Willow. »Die Ecke vom Park kannte ich gar nicht.« Sie lehnt sich an die Flussmauer, stützt die Ellbogen auf und beobachtet die Segelboote.
»Du müsstest es mal morgens sehen, wenn wir zum Rudern hier draußen sind. Das ist unglaublich schön. Als gäbe es keine anderen Menschen auf der Welt.« Er schwingt sich auf die Mauer und balanciert darauf.
»Hey, pass auf, dass du nicht runterfällst!«, ruft Willow besorgt.
»Hör mal, das Ding ist mindestens einen halben Meter breit.«
»Fünfzehn Zentimeter vielleicht, allerhöchstens.« Zwei felnd betrachtet sie die schmale Steinfläche. »Nein wirklich, falls dich dein alter Hauslehrer nicht auch in Hochseilartistik unterrichtet hat, solltest du lieber wieder runterkommen.«
»Meinst du, ich wäre nicht schon gefühlte dreimillionenmal ins Wasser gefallen, seit ich mit dem Rudern angefangen hab? Komm doch auch hoch.«
»Nein.« Willow schüttelt den Kopf. »Im Ernst jetzt? Ich meine, bist du wirklich so oft reingefallen? Ist der Fluss nicht total verschmutzt?«
»Natürlich bin ich schon reingefallen, und ja, er ist verschmutzt. Deswegen hab ich ja auch immer Desinfektionsmittel und den ganzen anderen Kram dabei, jeder von uns hat das, damit wir uns sofort verarzten können, wenn wir irgendwo eine Wu…« Er spricht den Satz nicht zu Ende. »Jedenfalls kannst du dir gar nicht vorstellen, wie kalt das Wasser gegen Ende Oktober wird.«
»Das kann ich mir sogar ziemlich gut vorstellen. Deswegen bleibe ich auch lieber genau hier stehen!«
»Hoch mit dir.« Guy packt lachend ihre Hand und hievt sie trotz ihrer Protestschreie zu sich auf die Mauer. »Ist doch gar nicht so schlimm, oder?«, sagt er über ihr entrüstetes Kreischen hinweg und zieht sie in seine Arme. »Siehst du? Du kannst gar nicht runterfallen, und wenn doch, dann fang ich dich einfach auf.«
»Ich weiß.« Willow ist
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