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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Hoban
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der Welt einen dazu treibt. Glaub mir, die sind einfach unfähig, mit irgendwas klarzukommen, die bilden sich ihre Probleme doch nur ein …«
    »Hör auf damit!« Willow kann ihm kein Sekunde länger zuhören. Sie massiert sich die Schläfen. Vielleicht bekommt sie dieses Mal wirklich Kopfschmerzen. Sie spürt Guys Hand auf ihrer Schulter und hebt den Kopf, um Andy anzusehen.
    »Danke, Willow«, sagt Chloe.
    Sie ahnt natürlich nicht, dass Willow ihre ganz eigenen Gründe hat, über Andys Verhalten empört zu sein. Es ist, als hätte er jedes einzelne Wort direkt an sie gerichtet. Was würde er sagen, wenn sie wie neulich vor Guy ihr Shirt hochziehen und ihm ihre Schnitte zeigen würde? Würde er auch behaupten, dass sie sich ihre Probleme bloß einbilde?
    Hätte er damit recht?
    »Das wird mir echt zu blöd hier. Ich hau ab«, sagt Andy nach einer Weile.
    »Ich auch, aber weißt du was? Mein Weg führt definitiv in eine andere Richtung als deiner!« Chloe wirft ihre Serviette auf den Tisch. »Bis morgen«, verabschiedet sie sich von den anderen.
    »Ist es okay, wenn wir auch gehen?«, fragt Willow Guy. »Tut mir leid.« Sie schaut entschuldigend zu Laurie und Adrian hinüber.
    » Dir muss es nicht leidtun, Willow.« Laurie wirft Andy einen kühlen Blick zu. »Wolltest du nicht schon längst weg sein?«
    »Natürlich, lass uns von hier verschwinden.« Guy steht auf. »Hey, Andy, nur damit du es weißt – was das angeht, steh ich voll auf Chloes Seite.«
    »Wie es aussieht, braucht Chloe jetzt doch keine zweite Meinung mehr«, sagt Willow, als sie das Lokal verlassen. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und es ist ein wunderschöner milder Abend.
    »Wovon redest du?«, fragt Guy verständnislos.
    »Ach, Chloe wollte wissen, was ich von Andy halte«, erklärt sie. »Na ja, ob sie was mit ihm anfangen soll oder nicht.«
    »Und da fragt sie dich?« Er sieht sie ungläubig an. »Ich meine, kann sie so was nicht allein entscheiden?«
    »Ich weiß nicht.« Willow zuckt mit den Achseln. »Anscheinend nicht.« Sie hat keine Lust auf Small Talk. Sie ist zu durcheinander, der Vorfall im Café ist noch zu frisch. Und sie ist zu wütend – aber nicht nur über das, was Andy über das arme Mädchen gesagt hat, sondern darüber, was seine Worte über sie aussagen.
    »Mir ist gerade nicht nach Spazierengehen«, sagt Guy. »Ist es okay, wenn wir uns einfach ein bisschen hierhin setzen?« Er macht es sich im Gras bequem und zieht sie neben sich. »Schau mal, man kann den Fluss von hier sehen.«
    »Ich bilde mir meine Probleme nicht bloß ein«, sagt Willow plötzlich. »Ich schneide mich nicht, weil es cool ist oder weil ich mich hinter einer Modekrankheit verstecken will.« Sie schweigt einen Moment. »Ich tue es, weil ich muss«, sagt sie schließlich. »Ich hab gar keine andere Wahl.«
    »Nein.« Guy schüttelt den Kopf. »Du lässt dir keine andere Wahl. Das ist ein Unterschied.«
    »Ich kann mir keine andere Wahl lassen! Das weißt du doch! Du hast es doch selbst gesehen!«, widerspricht sie heftig. Guy sagt darauf nichts und so sitzen sie eine Weile schweigend nebeneinander und schauen auf das im Mondlicht schimmernde Wasser.
    »Vielleicht hat Andy recht«, sagt Willow schließlich. »Vielleicht kommen dieses Mädchen und ich nur einfach nicht mit unseren Problemen klar und verstecken uns hinter unserer Krankheit. Vielleicht trifft alles, was er über sie gesagt hat, auch auf mich zu.«
    »An deiner Stelle würde ich mir keine Minute den Kopf darüber zerbrechen, was er –«
    »Mein Bruder weint nachts«, sagt Willow plötzlich. »Lach nicht«, fügt sie hastig hinzu. »Ich weiß, dass du nicht wie Andy bist und niemals irgendetwas Unsensibles oder Dummes sagen würdest, aber … na ja, manche Leute denken, dass ein Typ, der weint … ach, keine Ahnung.«
    »Ich lache nicht.«
    »Deswegen konnte ich gestern Nacht nicht schlafen. Er weint. Und ich passe währenddessen heimlich auf ihn auf.«
    »Warum erzählst du mir das jetzt?«, fragt Guy.
    »Ich weiß es nicht.« Willow ist selbst überrascht. »Vielleicht, weil … David ist so stark. Es heißt immer, ein Typ der weint, ist schwach, aber das stimmt nicht. Zumindest nicht in seinem Fall. Ich hab keine Ahnung, wie er das schafft, ich meine, so zu weinen, auf diese Art zu trauern.« Sie stockt. »Findest du, dass ich wie dieses Mädchen bin?«, fragt sie und sieht Guy prüfend ins Gesicht, das im Dunkeln kaum zu erkennen ist.
    »Ich weiß es nicht«, sagt er langsam.

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