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Bis zum bitteren Ende

Bis zum bitteren Ende

Titel: Bis zum bitteren Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jak Koke
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verschwunden und auf die Metaebenen gewechselt. In die jenseitigen Welten projiziert.

38
     
    Lucero schaufelte unglückliche Seelen im Dutzend auf und klatschte sie in den sich immer weiter ausdehnenden Felsvorsprung. Schreie ließen die Luft erzittern, während sie arbeitete, und Ekstase baute sich in ihr auf.
    Ich muß die Tzitzimine zufriedenstellen. Sie werden mich belohnen.
    Lucero störte es nicht mehr, daß sie eine Kreatur aus Essenz und Blut war, ein Mischmasch aus Eingeweiden und Magie. Ein Blutgeist, beschworen aus den Überresten ihrer eigenen blutenden Leiche. Sie spürte den beständigen sengenden Schmerz nicht mehr, der mit ihrem Wesen einherging. Sie erinnerte sich kaum noch daran, einmal gelebt zu haben. Nichts von alledem spielte jetzt noch eine Rolle.
    Alles von Bedeutung war hier. Alles, was ihr je wichtig gewesen war, gipfelte in dieser einen Aufgabe: Der Vervollständigung der Brücke.
    Die Kluft schloß sich, verengte sich, bis sie die Kreaturen, die auf der anderen Seite am Werk waren, in allen Einzelheiten erkennen konnte. Sie waren groß und abscheulich. Schwarz-rot gefärbte Drohnen - gesichtslose, geäderte Maden - arbeiteten an vorderster Front. Hinter ihnen waren größere Ungeheuer, leuchtend grün und burgunderrot, mit vielen stacheligen Tentakeln und einem amorphen, knollenförmigen Rumpf. Schwaden aus weißem Dampf umwehten sie, und Lucero roch ihren Verwesungsgestank, der wie die Essenz aus tausend verfaulten und von Maden übersäten Leichen roch.
    Weiter im Hintergrund waren andere Kreaturen, jede einmalig, mächtiger und viel schlauer als diejenigen vor ihnen. Sie zogen die Fäden. Das waren die wahren Tzitzimine. Diejenigen, welche sie befreien würden.
    Welch eine Liebenswürdigkeit, dachte sie. Welch eine unglaubliche Großzügigkeit und welch ein Wohlwollen.
    Freude erfüllte Lucero, als sie die Seelen weiterer Geopferter in den Fels unter ihren Füßen schmetterte. Sie verspürte reinste Lust, während sie die Kluft schmälerte und die Felsbrücke bis kurz vor dem Zusammenschluß weiterbaute.
    Oscuro tauchte neben ihr auf, um ihr beim letzten Meter zu helfen. »Dies ist ein glorreicher Augenblick«, sagte er zu Lucero.
    Die beiden hielten inne, als die beiden Arme der Brücke nur noch den Bruchteil eines Zentimeters voneinander getrennt waren, eine dünne Membrane zwischen den Welten. Oscuro betrachtete die Horde der Kreaturen. Er verneigte sich und breitete die Arme aus. Lucero konnte die blutlosen Wunden auf seinen Unterarmen sehen, die er sich selbst mit dem Obsidianmesser beigebracht hatte.
    Die Geister der Geopferten türmten sich hinter ihm auf wie ein Seelenberg. Oscuro hob die Stimme. »Willkommen, meine Gebieter! Ich schenke euch die Welt!«
    Er warf den Kopf in den Nacken und grinste irre, als seine Wunden sich öffneten. Die klaffenden Schnitte drangen durch seinen ganzen Körper und bildeten halbmondförmige Löcher. Die geopferten Seelen hinter ihm schienen von Oscuro aufgesogen zu werden, in seinem Rücken zu verschwinden und dann in Strömen von Blut vorne aus seinen Wunden zu schießen.
    Manische Häme schien Oscuro erfaßt zu haben, da das starre Grinsen auf seinem Gesicht anhielt. Die Blutklumpen schossen aus seinen Armen und landeten am dünnen Rand der Kluft zwischen den beiden Brücken. Geopferte wurden durch ihn geleitet und verliehen seiner Haut einen leuchtenden Rotton.
    Lucero sah, wie das Blut die Verbindung zwischen den Brücken herstellte, während Oscuro wie ein Fels in der Brandung der Seelen stand. Mit wachsender Vorfreude sah sie mit an, wie die letzten Geopferten in Oscuro eintauchten, wie die letzten Klumpen der roten Flüssigkeit aus den Wunden in seinem Körper schossen und auf die Nahtstelle zwischen den beiden Brückenarmen spritzten.
    Das rote Leuchten auf Oscuros Flaut ließ nach, und er sank überwältigt von der Anstrengung zu Boden.
    Ein Augenblick verging, in dem das Blut in den Spalt sickerte. Ein einzelner Schlag einer weit entfernten Trommel, ein leiser Herzschlag, dem absolute Stille folgte.
    Ein Augenblick des Zögerns.
    Dann wogten ihnen die Kreaturen wie eine Springflut entgegen. Sie drängten stürmisch vorwärts, rannten gnadenlos übereinander hinweg.
    Plötzlich wußte Lucero, daß die Ungeheuer sie vernichten würden. Ihre Freiheit war ihnen völlig egal. Sie hatten sie lediglich kontrolliert, damit sie ihnen helfen würde.
    Sie floh vor der Horde. Sie eilte den Weg zurück, auf dem sie gekommen war. Die Brücke war

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