Bis zum bitteren Ende
gebrauchen!«
Lethe erreichte einen Zustand ungeheurer Konzentration, als er alle seine Sinne benutzte, um das Drachenherz zu untersuchen. Er sah Millionen von Manaranken, die auf das Herz zu und in es hinein flössen. Als sein Geist das Herz berührte, überkam Lethe Klarheit. Er spürte die Manaströmungen ringsumher wie Verlängerungen seiner selbst. Er spürte das Wo und das Warum und das Wie astraler Macht.
Es war ein Grad der Erkenntnis, wie er ihm ohne das Drachenherz verschlossen geblieben wäre. Eine Gabe des Sehens, die er erlangte, als sein Geist und das Herz eine Verbindung eingingen.
Lethe begriff, daß solch eine wunderbare Gabe ihren Preis hatte. Er hatte die Fähigkeit des Begreifens geschenkt bekommen. Die Fähigkeit zu beherrschen. Mit diesem Wissen war die Wahl zwischen Selbstsucht und Selbstlosigkeit verbunden.
Obwohl er wußte, daß die Möglichkeit bestand, das Herz und dessen Macht für sich selbst zu behalten, war sie ihm kaum durch den Kopf gegangen, als er sie auch schon verwarf. Das Herz mußte eingesetzt werden, um die Kräfte der Finsternis zu vernichten. Lethe wußte das so sicher, wie er wußte, daß Thayla ihn benannt hatte.
Die Antwort ging ihm auf. Das Drachenherz war eine Linse, mit der sich Mana konzentrieren ließ. Ein Werkzeug, um magische Energie zu bewegen. Wenn es eine große Menge davon verarbeiten konnte, war es vielleicht möglich...
Vielleicht läßt sich die Brücke tatsächlich mit dem Drachenherz zerstören.
Dieser Ort war eine Manazacke - eine Ausbuchtung der Magie, die ursprünglich das Resultat des Großen Geistertanzes war. Und kürzlich war diese Zacke durch die auf dem Locus dargebrachten Opfer erweitert worden, indem die Lebensenergie metamenschlichen Bluts benutzt worden war, das Mananiveau an dieser Stelle zu vergrößern.
Wenn ich der Brücke das Mana entziehen kann, müßte sie einstürzen.
Lethe nahm seine Willenskraft zusammen und kanalisierte den Manafluß. Er konzentrierte das Drachenherz auf den Zenit der Brücke und versuchte dem Bauwerk das Mana zu entziehen.
Ein paar Sekunden vergingen. Nichts geschah.
Vielleicht benutze ich es nicht...
Plötzlich zerbrach die Brücke mit lautem Getöse. Die Mitte stürzte ein und fiel in den Abgrund.
»Ja!« rief Ryan und schien neue Kraft aus diesem Erfolg zu ziehen.
Lethe zog immer mehr Mana aus der Brücke ab, da er seine Willenskraft über das Drachenherz ausübte. Es war wie ein neues Glied, ein zusätzlicher Teil seiner selbst, ein Fortsatz seines Geistes, und er schwang es wie eine Waffe. Rauchig schwarze und rostrote Manaranken lösten sich aus dem Gestein der Brücke und strömten in das Drachenherz.
Das Bauwerk stürzte ein und fiel förmlich in sich zusammen. Die Zerstörung, die in der Mitte begann, pflanzte sich fort zu ihrem Klippenrand. Und als die Brückentrümmer in den Abgrund stürzten, rissen sie auch Den Feind mit, der ihnen in den Abgrund folgte.
In dem Maße, in dem die Brücke dezimiert wurde, sammelte sich das Mana im Drachenherz an. In ihm. Gab ihm Kraft und Verständnis. Bilder passierten vor seinem geistigen Auge Revue, während er seine zerstörerische Kraft walten ließ. Er sah das Portal aus wirbelnden Regenbogenfarben, das er schon öfter gesehen hatte. Er wußte jetzt, daß es das Fenster war, das ihn ins Sein geschleudert hatte.
Er durchlebte noch einmal das sengende Feuer, das ihn mit Wachträumen geplagt hatte, die Agonie der Lavafontäne. Er schrie auf, wie er es zuvor schon getan hatte, in einem anderen Leben. Er sah Dinge im scharfen Kontrast der Explosion. Bäume wurden entwurzelt, Autos davongeschleudert, eine Fensterreihe in einer Häuserzeile zerschmettert.
Für einen Sekundenbruchteil durchzuckte ihn wieder die Todesqual. Dann war sie vorbei, und mit ihr verschwammen auch die Erinnerungen.
Während die Brücke in einer Felslawine einstürzte und Den Feind mit in die Tiefe riß, staute sich immer mehr Mana im Drachenherzen auf. Lethe erkannte, daß er das Mana irgendwohin ableiten, in die physikalische Welt transferieren mußte. Er sah nur eine einzige Möglichkeit.
Lethe leitete das Mana in Ryan und Talon, in Harlekin und Aina. Die Lebensenergie von vielen tausend Menschen wurde der Brücke entzogen und floß in die vier Metamenschen. Mana überflutete sie.
Lethe wußte nicht, was es mit ihnen anstellen würde, aber er hatte keine andere Wahl. Sie waren die einzige Verbindung zur physikalischen Welt, die einzige Möglichkeit, das Mana von dieser Ebene
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