Bis zum bitteren Tod (German Edition)
gefragt, wo in einer so dicht besiedelten Stadt wie Dublin Platz für ein so großes Pferderennen sei. Der Ire, er hieß Michael O’Donnell, erklärte, es werde in Curragh stattfinden, einige Kilometer außerhalb der Stadt im County Kildare, auf Irlands bekanntester Rennbahn, die noch auf römische Zeiten zurückgehe.
»Und wie weit sind Sie angereist, um dieses Rennen zu sehen?«
»Mehr als 150 Kilometer«, antwortete Michael. »Ich komme aus dem County Tipperary, ich züchte dort selbst ein paar Vollblüter.«
»Und läuft einer davon beim Derby mit?«
»Nicht ganz. Aber ein Spross aus meinem Gestüt, Easter Rebel. Die Stute hab ich noch, Mighty Mary. Die hat momentan ein Stutenfüllen, das dürfte einiges bringen, wenn Rebel gut abschneidet.«
Shakira verstand kaum ein Wort davon. Allerdings gehörte sie nicht zu jenen Menschen, die »hach, wie interessant« sagten und sich dann anderem zuwandten. Shakira wollte es genau wissen. Außerdem war sie von so liebenswerter Schönheit, dass alle Männer, von Terroristen bis zu irischen Pferdezüchtern, ihr so einiges nachsahen. Frauen, die mit großer Schönheit gesegnet sind, leben nach gänzlich eigenen Regeln.
»Sie haben also eine Stute, die Mighty Mary heißt und die Mutter von Easter Rebel ist?«
»Genau. Ich hab ihn als Einjährigen verkauft, als Zweijähriger hat er vier Rennen gewonnen, und letztes Frühjahr zwei weitere, eines davon ein Gruppe-Rennen über eineinviertel Meilen in England.«
»Heißt Gruppe-Rennen, dass sie alle zusammen laufen?«
Und so weiter, bis Shakira verstand, dass Mr. O’Donnells Zuchtstute sehr wertvoll sein würde, sollte Easter Rebel das Irish Derby gewinnen, und dass ihr Fohlen ein ausgezeichnetes Rennpferd werden könnte, wenn es nur halb so schnell lief wie ihr Bruder.
»Sie ist, was wir eine Vollschwester nennen«, sagte Mr. O’Donnell. »Derselbe Vater, dieselbe Mutter.«
»Ich nehme doch an, dass sie alle denselben Vater und dieselbe Mutter haben«, sagte Shakira. »Ist das so was wie eine Ehe unter Pferden?«
Michael O’Donnell lachte. »Zum Teufel, nein!«, antwortete er. »Wir wechseln laufend und geben der Stute jeden Hengst, der uns geeignet erscheint.«
»Und was, wenn sie ihn nicht mag?«
»Ach, wir binden sie gut fest, damit sie nicht abhauen kann, und dann führen wir den Hengst genau zum richtigen Zeitpunkt zu ihr.«
Shakira war schockiert. »Aber das ist ja schrecklich. Was, wenn es Mighty Mary nicht gefällt? Das ist Vergewaltigung.«
»Ach Gottchen, Maureen«, sagte Michael. »Wir wollen Gewinner züchten, wir betreiben keine Partnervermittlung. Tipperary ist weltbekannt für seine Gestüte.«
»Na, ich weiß nicht, ob mir Ihre Einstellung dazu gefällt«, erwiderte sie. »Wenn Sie die Hengste auf die Stuten zwingen.«
»Ich will Ihnen eines sagen«, antwortete Michael. »Der Vater von Easter Rebel und dem Stutenfohlen ist nicht schrecklich. Er ist einer der schönsten Hengste, die Sie jemals zu Gesicht bekommen werden.«
»Hmmm«, kam es von Shakira. »Wie heißt er?«
»Galileo.«
»War er schnell?«
»Maureen, es gibt in England und Irland jedes Jahr im Hochsommer drei große Rennen über zwölf Achtelmeilen – im Juni und Juli. Und 2001 hat Galileo alle drei gewonnen. Das passiert nicht sehr oft.«
»Ist das Irish Derby eines davon?«
»Das können Sie glauben.«
»Dann hoffe ich, dass Easter Rebel gewinnt, genau wie sein Vater.«
»Ich hoffe es für seine kleine Schwester.«
»Warum ist das so wichtig?«
»Na ja, jetzt ist es ein hübsches Füllen und könnte beim Verkauf 50 000 Pfund bringen. Wenn Rebel dieses Wochenende gewinnt, kennt man sie als Vollschwester des Irish-Derby-Siegers, und dann ist sie 400 000 Pfund wert.«
»Wer zahlt das denn für ein Pferd?«
»Arabische Scheichs wahrscheinlich, in diesem Fall allerdings wohl eher die Besitzer des Coolmore-Gestüts in Tipperary. Sie ist dort geboren, und möglicherweise wollen sie sie nach Hause holen.«
»Ist es ein schönes Gestüt?«
»Das beste. Wunderbare Weiden, Leute, die sich seit Generationen um Vollblüter kümmern, und einige der besten Hengste der Welt. Alles dort im Herzen von Tipperary, so viele Füllen und Einjährige. Das ist der Ort, Maureen, wo die Träume anfangen.«
»Und manchmal auch enden?«
»Ach nein, mein Mädchen«, entgegnete der Ire irgendwie rätselhaft. »Die Natur schlägt ihr Buch nie zu.«
Und damit verabschiedete sich Michael O’Donnell und eilte aus dem Speisesaal, um sich mit
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