Bis zum bitteren Tod (German Edition)
folgte er den Instinkten der U-Boot-Fahrer: je leiser, umso besser .
Der majestätische Felsen von Gibraltar, der die schmale, Europa von Afrika trennende Meerenge überragte, lag nur fünf Seemeilen im Westen. Nachts herrschte hier kaum noch Verkehr. Es war problemlos möglich, den Mast über der Oberfläche zu lassen, um Luft für die Generatoren aufzunehmen.
Nach wie vor zog die Kilo aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit ein weithin sichtbares Fahrwasser hinter sich her. Alle 20 Minuten nahm der Kapitän einen Rundumblick vor und konnte lediglich einen einzigen Öltanker und einen Frachter ausmachen, ein großes Containerschiff unter französischer Flagge, das wahrscheinlich Marseille anlief.
Keine Kriegsschiffe also, so weit er sehen konnte. Auch sein Radar konnte nichts entdecken. Die See war überraschend ruhig. Die mächtigen Generatoren schnurrten und ließen das gesamte Boot leicht vibrieren.
Kapitän Abad wandte sich an General Rashud und machte ihn erst mit den guten Nachrichten vertraut – keiner verfolge sie -, dann mit den schlechten: Man würde erst in den frühen Morgenstunden des 16. Juli, Montag, im Süden Irlands anlanden. »Und das auch nur, wenn wir schnell durch den Atlantik kommen«, fügte er hinzu.
Ravi, der in den vergangenen Tagen sehr in sich versunken gewesen war, nickte nur abwesend. Dem Terroristenführer ging eine Menge durch den Kopf, nicht zuletzt die unerwartete Meldung von Shakira vom 3. Juli, in der deutlich geworden war, dass etwas passiert war – umgehende Evakuierung .
Im schlimmsten Fall musste er davon ausgehen, dass sie verhaftet worden war. Alles war möglich. Er wusste noch nicht einmal, in welchem Land sie sich aufhielt, und hoffte, sie hatte es nach Irland geschafft, wo sie in Dublin auf ihn warten würde. Im Moment musste er sich in Geduld üben, eingesperrt in diesem U-Boot, das trotz der geringen Verspätung wohl noch rechtzeitig ankommen würde.
Shakira war nicht sein einziges Problem. Vor ihm lag eine Reise nach Großbritannien, in ein Land, in dem er wahrscheinlich zu den meistgesuchten Männern überhaupt zählte – sowohl die Polizei als auch das Militär waren hinter ihm her. Gesucht wegen dreier Morde. Das Vereinigte Königreich war für ihn wohl der gefährlichste Ort, an dem er sich aufhalten konnte. Viele kannten ihn aus früheren Zeiten, als er noch SAS-Kommandeur Major Ray Kerman gewesen war, Mitglied der höchsten Eliteeinheit in Großbritannien.
Eingeschlossen im iranischen U-Boot, wurde Ravi vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben von nostalgischen Gefühlen überwältigt, einer Mischung aus Wehmut und möglicherweise sogar Bedauern. Immer hatte er versucht, die Erinnerungen an sein altes Leben zu verdrängen, an die Kameradschaft, den Respekt, der ihm als SAS-Offizier entgegengebracht wurde, an die alten Freundschaften während seiner Schulzeit in Harrow. Aber er hatte sich selbst zu einem Ausgestoßenen gemacht, hatte sich von seinen Eltern entfremdet, vom Militär und dem Land, in dem er aufgewachsen war.
In einem Augenblick unbesonnenen Heldentums, entsetzt über die schrecklichen Entbehrungen, unter denen das palästinensische Volk litt, hatte er die Seiten gewechselt. Trotzdem hatte es sich in gewisser Weise gelohnt. Durch den Terrorismus war er wohlhabend geworden, als größter Preis aber war ihm Shakira zugefallen.
Und jetzt zogen sie erneut gemeinsam in die Schlacht. Davor aber musste er erst einmal ins Land kommen, unter Umgehung der strengsten Sicherheitsvorkehrungen, die die Welt kannte. Der Gedanke an England weckte sofort tausend andere Gedanken – an Pässe, an Immigrationsbeamte, Zollbeamte, die Polizeikräfte auf den Flughäfen und Fährterminals, die Sorge, erkannt zu werden, vor allem aber Gedanken an sein Zielobjekt.
Admiral Morgan würde von einem kaum überwindbaren Sicherheitskordon umgeben sein. Möglicherweise war er nicht so dicht wie in Amerika, aber doch so, dass er vermutlich nur einen Schuss abgeben konnte – und das aus einem Gewehr, das noch gar nicht gebaut war. Ravi war klar, dass er in England jede verfügbare Minute brauchte, um seine Strategie auszuarbeiten. Ein Fehler nur, und es würde ihn das Leben kosten. Was würde dann mit Shakira geschehen? Klar, auch sie konnte gefasst werden, aber diesen Gedanken konnte er nur schwer ertragen.
Er verließ den Kommandostand und stellte sich etwas abseits. »Großer Gott, beschütze sie«, flüsterte er, vergaß dabei glatt Allah und den Propheten und
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