Bis zum bitteren Tod (German Edition)
richtete sein Gebet an den Gott, den er so lange in Harrow verehrt hatte.
Die Kilo schnorchelte währenddessen friedlich durch die Morgendämmerung, die weit achtern den östlichen Himmel feurigrot malte. Um 12.30 Uhr, nach gut fünf Stunden Aufladen der Akkumulatoren, befahl Kapitän Abad das Abschalten der Generatoren, und als sie in die Straße von Gibraltar einfuhren, schickte er das Boot in die Tiefe.
Die Straße ist an dieser Stelle zwischen den beiden Säulen des Herakles – dem Felsen von Gibraltar im Norden und dem Monte Hacho im Süden – zwölf Seemeilen breit. 14 Seemeilen weiter in westliche Richtung verengt sie sich auf nur noch acht, bevor sie sich wieder weitet und in den Atlantik hinausführt.
Zu beiden Seiten erhebt sich hoch das Land – die Ausläufer des Atlas in Nordafrika und das Hochplateau in Spanien. Diese geologische Besonderheit ist auch für U-Boot-Fahrer von Interesse, da sich die landschaftlichen Konturen natürlich unter Wasser fortsetzen und einen tiefen Bogen bilden, der der Straße eine durchschnittliche Tiefe von 400 Metern verleiht.
Für Kapitän Abad bedeutete das, dass er sein Boot auf 200 Meter schicken und in aller Ruhe die Fahrt fortsetzen konnte, unbemerkt von der stark befestigten britischen Marinebasis, die traditionell in diesen Gewässern Tag und Nacht nach fremden U-Booten und sonstigen ungewöhnlichen Fahrzeugen Ausschau hält.
Die Briten, seit drei Jahrhunderten Herrscher über Gibraltar, kontrollieren zusammen mit ihren amerikanischen Verbündeten diesen Zugang zum Mittelmeer von der Atlantikseite. Dass Spanien deswegen mehrmals lautstark protestierte, ist nur allzu verständlich. Auch die übrigen Mittelmeerstaaten – Frankreich, Italien, Griechenland – sowie die nordafrikanischen Anrainer sind darüber alles andere als glücklich.
Die Briten haben sich demgegenüber bislang taub gestellt – wenn sie auf etwas lauschen, dann auf U-Boote. Und so orderte Kapitän Abad sein Boot auf Tauchfahrt … Tiefenruder unten zehn, Geschwindigkeit fünf, Steuerkurs zwei-sieben-null .
Langsam durchquerte die Kilo die Straße, passierte in der Tiefe die Fähre von Gibraltar nach Tanger und beschleunigte daraufhin stetig, bis sich die Wasserstraße zwischen Kap Trafalgar und Kap Spartel im Süden auf 24 Seemeilen weitete. Nach dieser Linie beginnt auf den Navigationskarten offiziell der Atlantik.
Sobald sie diese unsichtbare Grenze hinter sich hatten, befahl Kapitän Abad eine Kursänderung, 40 Grad auf drei-eins-null. Vor ihnen lagen nun 160 Seemeilen auf gerader Linie durch den Golf von Cádiz bis zur Südwestspitze Portugals, dem Cabo de São Vicente, und dann nach Norden durch den Atlantik bis nach Irland.
Ravi genoss das Zusammensein mit dem Navigationsoffizier Leutnant Alaam, der wie seine Familie aus der iranischen Ostprovinz Kerman stammte. Der Oberbefehlshaber der Hamas hörte gern zu, wenn sein Gefährte Geschichten aus dem Land der Vorväter erzählte. An diesem Tag jedoch, an dem die hektischen Aktivitäten an Bord die Sorgen um seine Frau noch verstärkt hatten, fühlte er sich seltsamerweise völlig fehl am Platz.
Als er dem iranischen Leutnant über die Schulter sah, konnte er auf der Computerkarte die beiden berühmtesten Kaps der Iberischen Halbinsel erkennen, beide Schauplatz großer britischer Siege – Trafalgar, wo Admiral Lord Nelson 1805 die französische und spanische Flotte vernichtend geschlagen hatte, und São Vicente, wo Admiral John Jervis acht Jahre zuvor das gleiche Kunststück gegen eine große spanische Flotte gelungen war. Insgeheim fühlte General Rashud sich diesen Namen, die er noch sehr gut aus seiner Schulzeit kannte, tief verbunden, sie erfüllten ihn mit stillem Stolz, den niemand in diesem U-Boot hätte nachvollziehen können.
Und kurz, ganz kurz nur, fragte er sich, was zum Teufel er hier machte, umgeben von Dschihadisten, die ihn an einen Ort brachten, wo er einen Anschlag auf einen amerikanischen Admiral verüben sollte. Es war ohne Zweifel der aufrührerischste Gedanke, der ihm in den Sinn gekommen war, seitdem er acht Jahre zuvor übergelaufen und zu einem heiligen Krieger für den Islam geworden war.
Aber er fasste sich schnell wieder, dachte an Shakira und daran, wie ihre beiden kleinen Kinder von einem britischen Sergeant während der Schlacht in Hebron gnadenlos niedergeschossen worden waren. Und natürlich wusste er, dass es kein Zurück mehr gab. Jetzt nicht mehr. Dafür war es zu spät. Viel zu spät. Ihm blieb
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