Bis zum bitteren Tod (German Edition)
jedoch blieb auf der alten Straße, die unterhalb der riesigen grauen Betonpfeiler der Chiswick-Überführung entlanglief.
Dort, wo der Motorway einen leichten Schwenk nach Norden machte, hielt Ravi seine westliche Richtung bei, bog anschließend auf die Great West Road ab und blieb dort bis zur Kreuzung der Heston Road. Er bog nach Norden und fuhr durch eine Gegend, die eher an einen Vorort von Kalkutta erinnerte. Hier, im bunten Suburb Southall, hatten sich vor allem eingewanderte Asiaten niedergelassen.
Hier lebten Familien bereits in dritter Generation, deren Wurzeln auf dem indischen Subkontinent lagen, im Punjab, in Karatschi, Jaipur, Bengalen und Bangalore, viele von ihnen hart arbeitende Familien, die entschlossen waren, sich den Werten der einheimischen Bevölkerung anzupassen.
Viele von ihnen hatten es als Geschäftsleute zu gewissem Wohlstand gebracht. Die gesamte Gegend war voller Läden, die zu jeder Tages- und Nachtzeit geöffnet hatten. Southall war tausend Lichtjahre vom Belgrave Square und dem Londoner West End entfernt – es gedieh und pulsierte als indische und pakistanische Enklave, eine Erinnerung an das einstige Empire.
Ravi fuhr durch die Merrick Road, überquerte die Gleise der Southall Station und bog in ein Labyrinth kleiner Nebenstraßen mit Reihenhäusern ab. Schließlich fand er sich in einer ruhigen Wohnstraße wieder. Er sah auf einen Zettel, den Shakira ihm reichte, und suchte nach der Hausnummer 16.
Sie bogen in eine breite Auffahrt ein und hielten dicht vor der Eingangstür zu einem viktorianischen Haus. Ein neuer BMW war um die Ecke geparkt. Der Reichtum aber machte halt vor dem Garten, der sehr verwildert aussah. Das Gras gehörte gemäht, die hohen Sträucher überwucherten die Einfahrt, keine einzige Blume war gepflanzt. Alles wirkte wie ein Stück naturbelassenes Brachland.
Das Haus jedoch war makellos hergerichtet, frisch verputzt, die Fensterrahmen waren weiß gestrichen, die doppelflügelige Eingangstür erstrahlte in glänzendem Schwarz. Ravi ließ Shakira im Wagen und klopfte.
Ein älterer Herr mit indischen Gesichtszügen erschien an der Tür. Er trug einen Turban und einen kurzen grauen Arbeitskittel, wie ihn ein Butler zum Silberputzen anziehen mochte.
»Guten Morgen, Sir. Mr. Spencer?«
Ravi nickte.
»Bitte kommen Sie herein.«
Ravi folgte ihm durch die Halle zu einer kleinen, mit Leder verkleideten Tür, die leise aufging, nachdem der Inder eine Karte in einen Schlitz gesteckt hatte. Ein grünes Licht ging an, und Ravi stand vor einer gut beleuchteten, nach unten führenden Treppe, deren hohe Stufen mit dunkelgrünem Teppich belegt waren.
Von unten ertönte eine indisch eingefärbte Stimme. »Bitte kommen Sie herunter, Mr. Spencer. Ich erwarte Sie bereits.«
Ravi stieg hinunter und gab seinem Gastgeber, Mr. Prenjit Kumar, seines Wissens einer der besten Büchsenmacher in ganz England, die Hand. Niemand sonst hielt sich im Keller-Arbeitsraum auf. Es gab drei Arbeitsplätze, jeder von ihnen von einer Lampe erhellt, die tief über die mit dunkelrotem Filz bezogene Arbeitsfläche gezogen war. Alles erinnerte eher an die Arbeitsstätte eines Juweliers denn an eine Waffenschmiede.
Mr. Kumar war ein großer, schlanker Inder aus Bengalen. Er trug eine dunkelblaue Hose und ein weißes Hemd, darüber einen dunkelblauen Pullunder, das alles aber war nahezu gänzlich von einem großen grünen Schurz verdeckt. Keinen Turban. Er betrachtete Ravi eingehend durch seine filigrane Drahtbrille. Seine Augen waren fast schwarz, sein Gesichtsausdruck argwöhnisch.
»Sie wurden mir als Kunde wärmstens empfohlen«, sagte er. »Sie benötigen, wie man mir sagte, ein handgefertigtes Stück, ganz auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten.«
»Richtig«, erwiderte Ravi. »Ein Scharfschützengewehr, das Sie wahrscheinlich auf Grundlage eines österreichischen SSG 69 herstellen werden.«
Mr. Kumar lächelte. »Ihnen gefällt das alte Design?«
»Ich habe noch nie etwas anderes benutzt.«
»Dazu besteht auch keine Notwendigkeit, Mr. Spencer. Es ist ein ganz hervorragendes Stück Handwerkskunst. Keiner hat bislang ein besseres Gewehr gebaut – und es haben viele versucht.«
Ravi nickte. Erneut lächelte Mr. Kumar. »Ich weiß, ich sollte nicht fragen«, sagte er. »Aber könnte es sein, dass Sie in einem anderen Leben einmal dem SAS angehört haben?«
»Könnte sein. Die jetzigen Umstände aber machen es erforderlich, äußerst vorsichtig vorzugehen. Ich denke, unser größtes
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