Bis zum bitteren Tod (German Edition)
dachte an die brutalen Haftbedingungen in der Guantánamo Bay. Er dachte an seine Freunde, vor allem an Ramon Salman, den Hamas-Lieutenant, der in der Nacht vor dem Anschlag auf den Bostoner Flughafen den verhängnisvollen Handy-Anruf in das Haus in der Bab-Touma-Straße getätigt hatte.
Befand sich Ramon in Guantánamo? Und was war mit Reza Aghani geschehen, dem Hamas-Attentäter, der den Sprengsatz zum Flughafen gebracht hatte? Ravi wusste, er war von einem Bostoner Polizisten angeschossen und verhaftet worden. Ebenso wusste er von der Verhaftung Mohammed Rahmans, der in Palm Beach für das Gepäck zuständig gewesen war. Waren sie alle in Guantánamo? Und hatte einer von ihnen unter der Folter den Amerikanern seine Adresse in Damaskus verraten?
Dann sah er wieder Shakira vor sich, die schluchzend, blutüberströmt und verängstigt im Hinterhof ihres Hauses gekauert hatte. Sein Hass loderte auf. Welches Recht hatten sie, eine Straße in Syrien in Schutt und Asche zu legen, nur weil sie den Bewohner eines Hauses nicht mochten? Für wen hielten sie sich, wenn sie die Rechte der Bewohner des Nahen Ostens mit Füßen traten? Alle Probleme waren vom Westen und dem unersättlichen Verlangen der Amerikaner nach Öl verursacht worden.
Und im Mittelpunkt aller Probleme, mit denen die muslimischen Freiheitskämpfer in den vergangenen Jahren konfrontiert gewesen waren, stand die niederträchtige Person des Admirals Arnold Morgan. Selbst sein eigenes Volk war wütend auf ihn. Er hatte amerikanische Zeitungen gelesen, die das deutlich machten.
Seine Mission trug den Segen Allahs. Davon war General Rashud überzeugt. Ebenso überzeugt war er, dass er, sollte er bei seinem Einsatz getötet werden, mit den Märtyrern zum Klang der drei Posaunen die Brücke überschreiten würde, um von Gott mit offenen Armen empfangen zu werden.
Ravi hielt sich für einen heiligen Krieger, der sich auf einer heiligen Mission befand, um sein Volk von einem seiner größten Feinde zu erlösen. Er durfte nicht versagen: Die Augen Allahs ruhten auf ihm. Der Prophet Mohammed sah auf ihn herab und trieb ihn an. Zu versagen, das war schlicht undenkbar. Er war der Auserwählte, der ausgebildete Krieger, und diese Mission bedeutete sein Schicksal, nicht mehr und nicht weniger.
Er stand am Fenster und starrte auf die Straße. Das Licht nahm jetzt, kurz vor 21 Uhr, allmählich ab. Noch eine Stunde, dann würde Don gehen und das Gebäude hinter sich zusperren. Er würde sich nicht die Mühe machen nachzusehen, ob noch jemand im Gebäude war. Jeder Mieter hatte einen Schlüssel und wusste, dass er die Tür wieder zuzusperren hatte.
Mitternacht. Ravi döste in seinem Schreibtischsessel, den Oberkörper über den Schreibtisch gelegt, den Kopf auf den Armen. In der Ferne hörte er Big Ben schlagen. Er stand auf, schloss die Tür auf und ging auf Zehenspitzen hinüber zur Toilette. Das Gebäude strahlte eine fast schon unheimliche Stille aus. In der Tasche hatte er einen gläsernen Briefbeschwerer. Sollte ihm doch noch jemand begegnen, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn auf der Stelle zu töten und den Leichnam in sein Büro zu schaffen. Ihn töten, so wie er Jerry O’Connell in Cork getötet hatte.
Ravi mit seinem sehr dunklen Bartwuchs hatte vor, sich zu rasieren. Er sperrte die Tür ab, zog die Trainingsjacke aus, legte sie vor dem Türspalt auf den Boden und schaltete das Licht an. Die Toilette verfügte über keinerlei Fenster oder Außenwände. So kurz wie möglich drehte er den Heißwasserhahn auf, schälte Oberlippen- und Ziegenbärtchen ab, rasierte sich und befestigte die Bärte wieder.
Dann saß er wieder in der Dunkelheit seines Büros und bereitete sich gelassen auf die lange Wartezeit bis zum Morgen vor. In Washington, D. C., war es 19 Uhr.
18.00 Uhr, Montag, 30. Juli
Dulles Airport, Washington D. C.
Ahmed, der jordanische Kulturattaché, saß ruhig auf einem der hinteren Plätze in der Flughafenlounge und beobachtete die Erste-Klasse-Passagiere beim Boarding des American Airlines Flugs 163 nach London. Versteckt hinter einer Washington Post , hielt er den Kopf gesenkt, konnte aber über dem Rand der Zeitung Admiral Arnold Morgan und Mrs. Kathy Morgan sehen, die augenscheinlich von vier Secret-Service-Leuten umgeben waren und sich zum Ausgang begaben.
Getrennt von den anderen Erste-Klasse-Passagieren gingen der Admiral und seine Frau als Erste an Bord. Begleitet wurden sie von zwei der Secret-Service-Leute. Die anderen
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