Bis zum bitteren Tod (German Edition)
ihn?«
»Eigentlich nicht. Hatte aber den Eindruck, dass er sehr sportlich sein muss. Ich meine, er war immer sehr leger gekleidet, Jeans, T-Shirt und Turnschuhe.«
Der Detective nickte. »Hatte er feste Arbeitszeiten?«
»Na, das kann ich nicht sagen. Um 14 Uhr ist Schichtwechsel, wir wissen also nicht, ob jemand im Gebäude ist, wenn wir die Nachmittagsschicht antreten.«
»Ist er mal zu ungewöhnlichen Zeiten gekommen, sagen wir am Abend oder so?«
»Ich glaube nicht. Abends hab ich ihn nie gesehen. Eigentlich hab ich ihn seit gestern Mittag nicht mehr gesehen.«
»Sie haben auch nicht gesehen, dass er gegangen ist?«
»Nein. Aber das kann ich ja auch nicht. Don hat die Nachmittagsschicht, er hat auch letzte Nacht das Gebäude abgesperrt.«
»Könnte sich Fretheim über Nacht im Gebäude aufgehalten haben?«
»Nein. Das hätte Don gewusst. Man weiß immer, ob jemand am Abend noch da ist. Ich will Ihnen die Wahrheit sagen, so gegen neun schleichen wir uns auf ein Pint raus, und wenn wir zurückkommen, sieht man sofort, ob noch irgendwo Licht brennt.«
»Vielleicht hat sich Mr. Fretheim im Dunkeln aufgehalten«, sagte der Detective. »Danke, Reggie. Sagen Sie Don, wir würden uns am Nachmittag gern mit ihm unterhalten.«
»In Ordnung, Sir.«
In diesem Moment kamen die beiden Scharfschützen vom Dach herunter. »Wir haben es soeben erfahren, Sir«, erzählte einer von ihnen dem Detective Sergeant. »Aber wir haben nichts gesehen und auch nichts gehört. Brian und ich haben die ganze Zeit die Umgebung beobachtet. Der Schütze muss sich irgendwo hier im Gebäude aufgehalten haben. Seine Waffe muss jedenfalls verdammt leise gewesen sein.«
General Rashud hatte mittlerweile die Dover Street hinter sich gelassen und war nach links in die Hay Hill und dann in die Berkeley Street abgebogen. Er überquerte die Straße und schlenderte in die schmale Lansdowne Row, als die Polizei mit der Durchsuchung des Bürogebäudes begann.
Die Lansdowne Row kannte er, weil dort einer der besten Zeitschriftenläden von ganz London lag. Er war gelegentlich mit seinem Vater hierhergekommen, um nahöstliche Publikationen zu besorgen.
Er kaufte sich den Daily Telegraph und die Daily Mail , betrat das Café nebenan und bestellte Kaffee und gebutterten Toast. Er zog sein Jackett aus, hängte es über die Stuhllehne und stellte den Aktenkoffer ab. Er war schon einmal hier gewesen, in einem anderen Leben. Das Lokal sah wie früher aus, nur besser und größer. Ravi vermutete, sie hatten den Blumenladen nebenan mit dazu gekauft.
Es fühlte sich jedenfalls an wie eine Oase des Friedens. Ruhig trank er seinen Kaffee und las die Zeitungen. Das Café war voll mit den jungen, hemdsärmeligen Mitarbeitern der Werbeagenturen und Finanzunternehmen der Umgebung. Ravi fiel unter ihnen nicht auf. Im Süden hörte er das ununterbrochene Heulen der Polizeisirenen, in der Ferne schwebte tief über der Stadt ein Hubschrauber.
Es war kurz nach 12.30 Uhr, als er sich auf den Weg machte. Er zog sein Jackett an und ging zum Berkeley Square, auf dem wie üblich zur Mittagszeit viel los war. An der Westseite des Platzes, nachdem er die charakteristische Markise des Annabel’s, des exklusivsten Nachtclubs der Welt, passiert hatte, wandte er sich nach links in die Mount Street.
Vor sich konnte er den Audi mit Shakira am Steuer sehen. Sie stieg aus und ging zur Beifahrerseite herum. Gemächlich schlenderte er zur Fahrerseite, warf sein Jackett und den Aktenkoffer nach hinten und setzte sich ans Steuer. Ohne ein Wort zu sagen, fuhr er zur Nordseite des Berkeley Square, bog nach links ab und schlängelte sich in den Einbahnstraßen durch den schnell fließenden Verkehr. Eine Viertelstunde kam er ungehindert voran, eine Viertelstunde lang sprach er kein einziges Wort. Shakira wusste, dass alles schiefgelaufen war, aber wenigstens hatte man ihn nicht erschossen, was sie mit unendlicher Erleichterung erfüllte.
Der Helikopter, den er gehört hatte, stand mittlerweile auf dem Paradeplatz der Horse Guards. Arnold und Kathy waren mit zwei der Secret-Service-Agenten an Bord gegangen. Sie warteten nur noch auf die Ankunft ihres Gepäcks aus dem belagerten Ritz, in dem sich im Moment mehr Polizisten als Gäste aufhielten.
Big Georges Leichnam war ins St. Mary’s Hospital gebracht worden. Vor seinem Abtransport hatte der Rechtsmediziner bestätigt, dass das Geschoss aus einer erhöhten Position abgefeuert worden war und George in einem flachen Winkel
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