Bis zum bitteren Tod (German Edition)
Zaum zu halten.«
»Ja, sicher«, erwiderte Shakira. »Normalerweise komme ich so um elf. Ab dem 31. Juli also schon um zehn.« Sie zog ihr kleines ledergebundenes Notizbuch heraus und notierte sich das Datum. Auf der vorangehenden Seite standen die Worte: Zielperson Emily Gallagher. Brockhurst, Virginia.
Shakira lehnte sich zurück, trank ihren Kaffee und sah kurz zu dem gerahmten Foto, das ihr natürlich schon früher aufgefallen war. »Ist das Ihre Tochter, dort auf dem Foto?«, fragte sie.
Mrs. Gallagher nahm das Bild zur Hand und lächelte. »Ja, das ist Kathy.«
»Mein Gott, ist sie schön«, sagte Shakira und betrachtete das Hochzeitsfoto, das Arnold und Kathy vor dem Friedensrichter zeigte, der sie in Washington getraut hatte.
»Wann war das?«
»Ach, erst vor fünf Jahren«, sagte Emily.
»Dann muss es wohl ihre zweite Ehe sein«, sagte Shakira lächelnd. »Keine Frau, die so hübsch ist, wird so lange allein sein.«
»Da haben Sie Recht. Kathy war schon einmal verheiratet. Er war reich, aber ein grässlicher, egoistischer Kerl. Ich bin ja so froh, dass sie jetzt wirklich ihr Glück gefunden hat. Ihr Mann ist nicht nach jedermanns Geschmack, aber er macht sie glücklich. Und ich mag ihn sehr.«
»Fliegen sie in Urlaub, nachdem sie Kipper abgeliefert haben?«, fragte Shakira.
»Na ja, ich weiß nie recht, wo sie sich gerade aufhalten«, antwortete Emily. »Kathy hat nur gesagt, sie fliegen nach London, bleiben dort für einige Tage im Ritz, und dann geht es weiter nach Schottland.«
»Hört sich nicht schlecht an«, sagte Shakira.
»Nein, ganz und gar nicht. Das Ritz! Da muss ich immer an dieses englische Lied während des Krieges denken, ›A Nightingale Sang in Berkeley Square‹ – an die Zeile There were angels dining at the Ritz .«
Shakira wirkte nachdenklich. Mrs. Gallagher war wirklich eine wunderbare, charmante Lady, so freundlich, großzügig und so anständig. Für den Bruchteil einer Sekunde stellte sie tatsächlich in Frage, warum sie hier in diesem wunderschönen Haus saß.
Sie zwang sich, wieder an die Sache zu denken, an das schreckliche Schicksal der Palästinenser. Ihre Armut, ihr Leiden, die fehlende medizinische Versorgung, die grausame Arroganz der Israelis, vor allem aber an den Hass, den Hass auf den Großen Satan und die unumstößliche Ansicht ihres Mannes, dass der Westen aus dem Nahen Osten für immer vertrieben und Israel vernichtet werden musste.
Mit all dem hatte Mrs. Gallagher natürlich nichts zu schaffen. Aber sie war Amerikanerin, Teil dieser herrschsüchtigen Nation, die es geschafft hatte, ihr, Shakiras, Volk zu unterdrücken, und sich in ihrem unermesslichen Wohlstand darin gefiel, den Rohstoffreichtum der arabischen Staaten auszuplündern, während ihr eigenes Volk am Rand der Verzweiflung vor sich hin vegetierte.
Ravi ließ darüber nicht mit sich reden. Amerika nahm nur dann etwas zur Kenntnis, wenn man dem Land mit Gewalt drohte. Erst wenn Menschen umkamen, wachten die Amerikaner auf. Nichts hassten sie so sehr wie den Verlust von Vermögenswerten. Sie waren keine Krieger, aber sie verfügten über höchst effiziente Streitkräfte und über ein gewaltiges Hightech-Waffenarsenal.
Doch sie würden vom Sockel gestoßen werden: vielleicht nicht besiegt, aber dazu gezwungen, sich hinter ihre eigenen Grenzen zurückzuziehen, damit die Muslime ein neues Reich errichten konnten, das sich vom Horn von Afrika bis zum Atlantik erstreckte. Das war Ravis Traum und der Traum der Ajatollahs, der Imame und aller heiligen Männer.
Das war der Wille Allahs, im Koran unmissverständlich deutlich gemacht … Tod den Ungläubigen . Und hier nun war sie, Shakira, saß mit einer von ihnen zusammen, der Matriarchin der Familie desjenigen Mannes, der von den Dschihadisten des Nahen Ostens wie kein Zweiter gefürchtet wurde – Admiral Arnold Morgan.
Ja, sie würde ihren Auftrag erfüllen. Sie würde Ravi darüber informieren, wo genau er den Admiral aufspüren konnte. Und obwohl sie es nicht wünschte, dass Emily Gallagher persönlich Leid zustieß, würde sie auch nicht vergessen, welchen Zweck ihr, Shakiras, Leben hatte: den Willen Allahs zu tun … Allah ist groß .
Sie sah auf ihre Uhr. Zeit für die Gebete. In welcher Richtung lag Mekka? Im Osten, in Richtung Fluss. Shakira wandte sich zum Fenster und spürte in diesem Augenblick die tiefe Verbundenheit aller gläubigen Muslime, die sie fest umschlungen hielt. Allah würde ihr verzeihen, dass sie an diesem Morgen ihre
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