Bis zum bitteren Tod (German Edition)
ungestüm. Und er heißt Charlie.«
»Aber er ist sehr schön«, sagte Shakira, »und schönen Wesen verzeiht man vieles.«
Charlie, der wie alle Tiere spürte, dass ihm hier eine freundliche Person begegnete, legte ihr die Vorderpfoten an den Gürtel, ließ die Zunge heraushängen und wedelte heftig mit dem Schwanz.
Sie griff nach der Leine. »Lassen Sie mich ihn nehmen. Ich begleite Sie ein Stück.«
Emily wirkte erleichtert. »Er ist ein fürchterlicher Brocken«, sagte sie. »Aber ich hab ihn jetzt schon sieben Jahre und würde ihn ganz schrecklich vermissen. Er ist ein guter Gefährte, jetzt, da ich allein bin. Ich gehe mit ihm meistens eine Meile da runter zur Biegung des Flusses.
Letzte Woche hat er sich losgerissen und ist in den Fluss gesprungen. Ich dachte schon, er kommt erst in der Chesapeake Bay wieder heraus. Aber er ist dann einfach ans Ufer geschwommen und hat sich furchtbar geschüttelt. Ich war patschnass.«
Shakira schüttelte den Kopf. »Er ist fast zu groß für Sie«, sagte sie und hielt den Hund straff an der Leine.
»Ich weiß«, erwiderte Emily. »Und, wissen Sie, wenn ich mal einen Tag nicht mit ihm gehe, dann wird er so ungestüm, stürmt durchs ganze Haus und wirft immer alle Sachen um.«
Shakira lächelte. »Na ja, ich mag Hunde, und ich geh auch gern spazieren. Hätten Sie was dagegen, wenn ich ihn ab und zu mitnehme?«
»Ach, meine Liebe, das wär mir eine große Hilfe. Aber macht es Ihnen auch wirklich nichts aus? Ich will Ihnen keinesfalls zur Last fallen.«
»Nein, nein, es macht mir doch Spaß. Ich hab hier noch nicht viele Freunde. Und er ist doch so ein großartiger Hund.«
So wurden Carla Martin und Emily Gallagher gute Freundinnen. Carla ging mit Charlie drei- bis viermal in der Woche spazieren, manchmal mit Emily, manchmal ohne sie. Manchmal trank sie bei der alten Lady eine Tasse Tee, bevor ihre Schicht im Estuary begann, und gelegentlich aßen sie zusammen zu Mittag.
Im Hotel war sie mittlerweile gern gesehen, vor allem bei den jüngeren Gästen, die am Donnerstag und Freitag, manchmal auch am Samstag, immer aber am Sonntagabend aufkreuzten. Trotz ihrer Bemühungen, mit weiten Pullovern, langen Röcken, flachen Schuhen, fehlendem Make-up und zu einem schlichten Pferdeschwanz gebundenen Haaren ihren Charme zu verbergen, konnte es Shakira nicht verhindern, dass sie die Aufmerksamkeit der jungen Männer erregte.
Zu jenen, die sie am häufigsten sah, gehörte Rick, ein ortsansässiger Computeringenieur; daneben Bill, dessen Vater der Supermarkt gehörte; Eric, der eines der Bauunternehmen am Ort geerbt hatte; Herb, der ein Fotostudio betrieb; und Matt Barker, der die örtliche Werkstatt aufgebaut hatte und dort jetzt einen Toyota-Vertrieb führte. Matt war bereits älter, so um die 35.
Der bestaussehende Typ war Eric, 24 Jahre alt, geschieden und lokaler Champion im Golfclub. Rick wusste am besten Bescheid und war gut informiert; Bill war der wohlhabendste; Herb war ein Angeber und sehr von sich überzeugt, er hatte nicht viel Geld, aber großen Ehrgeiz und wollte in New York Modefotograf werden; aber der Beständigste in seiner Bewunderung für Shakira war Matt Barker, der einen Porsche fuhr und sie jedes Mal zum Essen einlud, wenn er sie sah.
Shakira setzte all ihre List und Tücke ein, um sich diese Meute vom Leib zu halten. Sie deutete an, einen Freund in London zu haben; sie schloss die Bar immer um 23.30 Uhr, verließ das Hotel durch den Hintereingang, rannte über den Parkplatz und um die Ecke in die dunkle Straße, wo Fausi mit laufendem Motor bereits wartete.
Sie kündigte nie an, dass sie nach Hause wolle, streifte immer knappe Autohandschuhe aus Leder über, womit sie kundtat, dass sie einen eigenen Wagen besaß, und jeden davon abhielt, sie zu fragen, ob er sie nach Hause fahren dürfe. Und wenn sie die Handschuhe anhatte, verschwand sie einfach und überließ alles Weitere dem Nachtportier, der sich um die letzten Gäste kümmerte, die nicht im Hotel übernachteten, und hinter ihnen absperrte.
Nach einigen Wochen war sie zu einer richtiggehend mysteriösen Frau geworden. Die Jungs fragten sich: »Wann ist sie denn gegangen? Wohin? Sie hat sich noch nicht mal verabschiedet.«
Und das würde sie auch nie tun. Shakira hatte nicht die geringste Absicht, mit dieser lebhaften, aber wohlerzogenen Bande junger Böcke, der gutbetuchten Mittelschicht von Brockhurst, allein vor das Hotel zu gehen.
An den Abenden, an denen viel los war, sah man in der Bar auch
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