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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Zähringer
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die Heimat sein – der Geschmack von ein paar Fleischbällchen?
    Laska hatte in die Mitte des Tisches einen dreiarmigen Kerzenständer gestellt, und der Kerzenschein zitterte auf ihren Gesichtern, als würden sie um ein Lagerfeuer sitzen. Sie tranken Wein, sprachen eine Weile lang kein Wort.
    «Ich weiß nix von dir», begann sie schließlich.
    «Das stimmt nicht.»
    «Du hast gesagt, du bist Ingenieur.»
    «Du hast gesagt, du bist Lehrerin.»
    «Wo ist dein Büro? Alle Deutschen haben ein Büro, wo sie tagsüber hingehen, und abends sie kommen zurück.»
    «Hab ich verkauft. Vor einem halben Jahr.» Er hielt inne, nippte an seinem Weinglas und sah kurz an ihr vorbei, bevor sein Blick zu ihr zurückkehrte. «Da wusste ich ja noch nichts von dir.»
    «Aber vielleicht von anderen.»
    «Das Geld wird reichen. Falls du das meinst.»
    «Ich meine nicht», entgegnete sie scharf und musste ein weiteres Mal daran denken, dass sie ja eigentlich schon längst nicht mehr bei ihm sein wollte.
    Nach dem Essen räumte sie das Geschirr ab und stellte es in die Spülmaschine.
    «Lass das», sagte er, «du musst das nicht machen.»
    Sie sah nicht auf. «Bezahlt ist bezahlt», sagte sie.
     
    Sie tranken Cognac, die Kerzen waren beinahe ganz heruntergebrannt, und das Licht war trübe, wie vom vergangenen Tag.
    «Was ist mit dem Mond?», fragte sie.
    «Der Mond kann warten.»
    «Nein, kann nicht.»
    Sie gingen hinauf, und sie spürte, während sie die gewundene Treppe emporstieg, dass sie betrunken und in einer Stimmung war, in der sie vielleicht aus Neugierde sogar mit ihm schlafen würde. Doch oben machte er keine Anstalten, sie auch nur zu berühren. In seinem Zimmer brannte Licht, eine kleine Leselampe, und auf dem schmalen Tisch am Fenster stand ein Laptop, über dessen Bildschirm Zahlen huschten, als wäre das Gerät in eine wichtige Berechnung vertieft. Laska bewegte die Maus, und der Computer unterbrach seine Berechnungen, zeigte nun einen Ausschnitt des Sternenhimmels.
    «Was macht das?», wollte Anna wissen, «was bedeuten die Zahlen?»
    «Die Zahlen? Ach – das ist so eine Art Bildschirmschoner. Ein kleines Programm. Es untersucht Radiowellen. Nach Spuren außerirdischer Intelligenz.»
    «Du suchst hier nach Außerirdischen?»
    «Nein, eigentlich suche ich nach Kometen. Wie gesagt, das ist nur der Bildschirmschoner.»
    Als sie auf der Terrasse standen, fragte Anna, was er machen würde, wenn sein Rechner eines Tages tatsächlich die Signale von Außerirdischen entdeckte.
    Er zuckte mit den Achseln. «Keine Ahnung. Das würde wahrscheinlich alles ändern. Stell dir mal vor: Wir wären dann nicht mehr allein.»
    Der Mond war im zweiten Viertel, strahlend und hell. Die Krater, über die jetzt die Schattenlinie zog, waren andere als am Abend zuvor, Laska kannte ihre Namen, aber ihr war es nicht wichtig, wie sie alle hießen. Sie interessierte nur das: der Blick durch das Instrument, die Stille auf der Terrasse, das Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume, das blendende Grau der Mondmeere, die bizarren Schatten der Kraterränder und die Vorstellung, dass da oben niemand war. Niemand.
     
     
    Tags darauf schlug Laska vor, nach dem Frühstück in die Stadt zu fahren. Mit «Stadt» meinte er das Zentrum Berlins.
    Als sie das Haus verließen, sah sie in den Himmel. Er war noch immer klar. Die Kondensstreifen eines Flugzeugs teilten ihn in zwei Hälften, und sie überlegte, wohin die Passagiermaschine fliegen mochte. Dann fiel ihr Blick auf das Tor am Ende der Straße, und sie stellte fest, dass die Kette wieder anders hing. Hätte sie in die andere Richtung geschaut, wäre ihr vielleicht auch ein dunkler, schon etwas älterer Geländewagen aufgefallen, der, die getönten Scheiben geschlossen, am Straßenrand stand. Er war auf eine nachlässige Weise halb auf dem Bürgersteig, halb auf der Fahrbahn abgestellt, so schräg, wie keiner der Bewohner der Reihenhaussiedlung und wohl auch keiner ihrer Besucher ein Auto abstellen würde. Erst als sie mit Laska langsam an dem Wagen vorbeirollte, drehte sie kurz den Kopf, wie man es macht, wenn man an einer Ampelkreuzung steht und aus irgendeinem Grund spürt, dass man beobachtet wird. Kurz glaubte sie, einen Schatten hinter den getönten Scheiben zu erkennen, doch dann waren sie bereits an dem Fahrzeug vorüber.
    Sie fuhren Richtung Osten, überquerten den S-Bahn-Ring. Die Straßen waren breit und aufgeräumt, aber nicht voll. Überall wurde gebaut, wurde ausgebessert, etwas

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