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Bis zum Ende der Welt

Bis zum Ende der Welt

Titel: Bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Zähringer
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spotten Sie nur. Aber so was hier, das gibt’s nicht alle Tage.»
    Am Ende der Spalte wippte ein schwarzer Schalenkoffer im Wasser. Ich balancierte über die Felsen und schaffte es, das Ding herauszuziehen, ohne auf den glitschigen Steinen auszurutschen.
    Er war leer. Auf seiner Reise war er irgendwann aufgegangen und hatte seinen Inhalt im Meer verstreut. Nur die Hülle hatte die Überfahrt geschafft.
    Cabral hockte sich neben mich auf die Felsen und untersuchte das Innere des Koffers. In einem Seitenfach des Innenfutters, das vielleicht einmal dazu gedient hatte, Socken, Unterhosen oder Krawatten aufzunehmen, wurde er fündig.
    Das Seewasser hatte die Fotografie ausgebleicht, kaum konnten wir noch etwas darauf erkennen: Zwei Gestalten, eine kleine und eine etwas größere, standen vor einem niedrigen Haus mit Flachdach und schienen dem Betrachter zuzuwinken. Neben dem Haus wuchs eine Palme. Es war, als ob uns zwei Geister grüßten.
     
    Die Joggerin trug diesmal kein rosafarbenes Top. Sie saß im Diät-Restaurant des Resorts und hatte ein ockerfarbenes Leinenkleid an, das zugleich schlicht und teuer aussah. Mir war gleich klar, dass sie uns erwartet hatte. Sie wirkte nicht wie jemand, den man überraschen konnte.
    «Wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen stellen», sagte ich auf Deutsch, «reine Routine.»
    «Ich verstehe», sagte sie auf Portugiesisch.
    «Sie sprechen Portugiesisch?»
    «Ja. Sie sprechen Deutsch?»
    «Sind Sie öfter in Portugal?»
    «Mindestens zweimal im Jahr. Seit 1978 . Wo haben Sie Deutsch gelernt?»
    «In Deutschland. Sie sind immer sehr früh am Strand, oder?»
    «Ja.»
    «Ich muss Sie das noch einmal fragen: Ist Ihnen bei Ihren morgendlichen Spaziergängen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?»
    Schräg hinter mir saß mit verschränkten Armen Cabral, und neben Cabral stand der Koffer, hochkant, sodass er seinen Ellenbogen wie auf einer Lehne darauf ablegen konnte.
    «Manchmal vergisst man etwas», brummte er, «und dann fällt es einem erst später wieder ein.»
    «Nein», sagte sie und schüttelte den Kopf. «Ihre Eltern sind wegen der Arbeit nach Deutschland gegangen, stimmt’s?»
    Ich ignorierte die Frage. «Was machen Sie beruflich?»
    «Nichts.»
    «Nichts?»
    «Ich habe mal Versicherungskauffrau gelernt, aber das muss in einem anderen Leben gewesen sein. Wenn mein Mann noch da wäre, könnten Sie ihn danach fragen, aber er ist nicht mehr da.»
    «Was ist mit Ihrem Mann?»
    «Er ist tot.»
    Wir erfuhren wenig mehr von ihr, als dass sie von ihrem Mann Geld geerbt und keine Kinder hatte. Sie war seine zweite Frau gewesen, sonst hätte sie jetzt noch mehr Geld, gab sie zu.
    «Aber warum wollen Sie das alles wissen?»
    «Warum erzählen Sie es uns überhaupt», fragte ich zurück, «wenn Sie doch nichts mit dem Finger zu tun haben?»
    «Vielleicht langweile ich mich. Vielleicht unterhalte ich mich ganz gerne mit attraktiven jungen Polizisten.»
    Sie lächelte, und es sollte wohl wie eine freundliche Einladung aussehen, wirkte aber seltsam vulgär. Fast hätte ich zu ihr gesagt, ich sei gar nicht mehr so jung. Aber ich klappte mein Notizbuch zu, stand auf, und wir verabschiedeten uns.
    «Sie weiß etwas», sagte ich im Wagen. «Sie verbirgt etwas.»
    «Meinen Sie, Mr. Holmes?» Cabral nahm seine Mütze ab und strich sich über seine braune, glänzende Halbglatze. Dann zupfte er sich an seinem dünnen schwarzen Bärtchen, bevor er seine Hände über seinem Bauch faltete, seufzte und ein nachdenkliches Gesicht machte.
    «Sie haben recht, Watson», entgegnete ich und drehte den Zündschlüssel. «Ich würde sogar sagen, dass sie weiß, dass wir wissen, dass sie etwas weiß.»
    «Das hätte Tritão sagen können.»
     
    Als wir ins weiße Haus kamen, wuchtete Tritão gerade einen kleinen, würfelförmigen braunen Kühlschrank von der Art, wie man sie in Hotelzimmern vorfinden kann, auf den bereits vorhandenen. Ich hatte ihn selten bei körperlicher Betätigung gesehen, aber die Sache war ihm offensichtlich wichtig. Am Vorabend hatte er den Finger in eine zweite Beweismitteltüte gesteckt und diese dann in eine Alubox gelegt, aber das hatte sein Unbehagen angesichts der unmittelbaren Nachbarschaft von Finger und Joghurt nur unzureichend gedämpft. Der zweite Kühlschrank war die Lösung.
    «Was ist mit der PJ ? Wollten die den Finger nicht abholen?»
    Tritão grinste verdrießlich. «Die wissen plötzlich nicht mehr, ob sie überhaupt für den Finger zuständig sind. Ich hab noch mal

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