Bis zum Ende der Welt
Abel Campos und seinem Komplizen Maurizio Sepa an der Wand, aber wie das so ist mit Fahndungsfotos, sie müssen nur lange genug hängen, und man beachtet sie nicht mehr.
Ich war bereits auf dem Heimweg, da kam der Anruf.
«Sie haben ihn», sagte Cabral.
«Wen?»
«Deinen Bademantel-Flitzer.»
«Wer hat ihn?»
«Er wird von einem Wachdienst festgehalten. Hat versucht, in einer Apotheke was zu klauen.»
«Was denn?»
«Keine Ahnung, wussten die auch nicht, vielleicht hatte er Kopfschmerzen und brauchte Tabletten. Die aus Luz fragen, ob wir das erledigen können. Du könntest ihn dann ja auch identifizieren.»
«Weil es so viele gibt, die in einem Trainingsanzug der belgischen Basketball-Nationalmannschaft herumrennen.»
«Ist gleich bei dir in der Nähe, liegt quasi auf dem Weg.»
Wir verabredeten, uns in der Apotheke zu treffen.
Ich kannte die Apotheke, war aber noch nie drin gewesen. Es war eine von der Sorte, die neben Medikamenten alles mögliche andere führt – Ayurveda-Öl, Entspannungsschaumbäder, Schlankheitskuren, Yoga-Matten, Kosmetika, Müsliriegel, so Zeug eben. Als ich durch die automatische Schiebetür hineinging, standen der Apotheker und zwei Angestellte hinter der Verkaufstheke. Eine Frau mit einem vielleicht dreijährigen schniefenden Mädchen auf dem Arm erkundigte sich nach Erkältungsmitteln. Ich sah den Apotheker an, einen mittelgroßen Mann mit goldgefasster Brille in weißem Kittel, und er sah mich an und machte eine Kopfbewegung in Richtung des anderen Endes des Ladens. Dort fand ich unter einer Überwachungskamera eine angelehnte Tür. Ich trat ein.
Den Wachmann erkannte ich gleich. Das heißt, ich wusste gleich, was es für eine Art Wachmann war: ein Nazi, ein Rassist und Waffennarr. Bei der Nationalgarde und der Polizei beworben und beide Male abgelehnt worden, zu Hause eine ansehnliche, aber illegale Sammlung an Schusswaffen und hier bei der Arbeit mit einem wahrscheinlich bleibeschwerten Schlagstock und dem obligatorischen Paar Handschellen. Die Handschellen trug jetzt der dunkelhäutige Mann im belgischen Trainingsanzug, der neben dem Tisch, an dem der Wachmann lässig lehnte, auf einem Stuhl saß.
«Der Neger wollte Kekse klauen», sagte der Wachmann.
«Kekse.»
«Astronautenriegel.» Der Wachmann hielt einen hoch, ein längliches Ding, von dessen Verpackung mir ein satter russischer Kosmonaut entgegenlächelte.
«Damit kann man im All eine Woche überleben!», spottete der Wachmann.
«Nehmen Sie ihm die Dinger ab.»
«Was?»
«Das heißt: ‹Jawohl, Sargento, mache ich sofort›», entgegnete ich scharf.
Der Wachmann ging um den Tisch herum und nahm dem schwarzen Mann die Handschellen ab. Ich sah ihn an. Er war vielleicht so groß wie ich, aber viel hagerer. Seine Augen waren wach, obwohl er insgesamt müde wirkte.
«Ich bin Sargento Gouveia von der Guarda Nacional Republicana, verstehen Sie mich?»
Er nickte.
«Wie heißen Sie?»
«Santos.»
«Santos und weiter?»
«Nur Santos.»
«Na gut, Santos, wir haben da ein paar Fragen –»
«Wasser», unterbrach mich Santos.
Ich sah mich nach etwas zu trinken um. Der Wachmann regte sich nicht.
«Wasser», wiederholte Santos, «die haben uns Wasser in den Reservetank getan. Wer macht so was? Wir hatten doch für das Boot anständig bezahlt. Der Motor ging einfach aus. Mitten auf dem Meer. Dann kam der Sturm.» Er verstummte.
«Gleich ist ein Kollege hier», sagte ich, «und dann können wir alle gemeinsam friedlich zum Auto gehen und zu unserem Posten fahren, zwei Männer mit Fragen und ein dritter, der sie beantworten kann. Voraussetzung ist natürlich, Santos, dass Sie nicht wieder versuchen, den Weltrekord im Querfeldein-Rennen zu gewinnen, haben Sie mich verstanden?», sagte ich möglichst ruhig.
Das war eine Variante meiner üblichen Ansprache. Ich mochte es nicht, Männer in Handschellen durch Läden zu schleifen. Ich warf Santos einen aufmunternden Blick zu, ich wollte, dass er Vertrauen fasste und nicht irgendetwas versuchte. Er schwieg. Zuerst dachte ich, er sähe apathisch ins Leere. Aber das tat er gar nicht. Er sah an mir vorbei zu den Überwachungsmonitoren, die hinter mir an der Wand hingen. Ein Anflug von Furcht war in seinen Augen. Langsam hob er seine rechte Hand und deutete mit dem Zeigefinger auf einen der Bildschirme.
«Was hast du erwartet?», fragte Laska. «Eine Mumie? Eine Kühltruhe mit Leichenteilen?»
Sie hatte nicht gemerkt, dass er zurückgekommen war, die offene
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