Bis zum Hals (T-FLAC) (German Edition)
erzeugte ein Dröhnen in ihren Ohren, während sie wie eine Fledermaus an seinem Rücken herunterhing. Arnaud kletterte über das zerklüftete Gestein und begann dann den Abstieg. Wo vorher der Strand gewesen war, reichte einem das Wasser jetzt bis zum Oberschenkel.
Er packte sie beim Bund ihrer Shorts und brachte sie wieder in eine aufrechte Position. Mit den Füßen zuerst rutschte sie ins Wasser. Es reichte ihr bis gut über die Taille und brannte in den Kratzern, während es den Schmerz der Prellungen linderte.
»Da rein!« Er stieß sie zwischen die Schulterblätter, damit sie vor ihm herging.
Da rein war ein extrem schmaler Spalt in der Klippe. Höhlen neigten dazu, dunkel zu sein. Und Dunkelheit war wirklich das Allerletzte, was sie jetzt noch brauchen konnte. Mitten im Schritt hielt sie inne. »Auf keinen Fall«, verkündete Tally klipp und klar. Das war ihr absolut schlimmster Albtraum, der da in huschenden Schatten zum Leben erwachte.
»Entweder du gehst da jetzt rein«, fuhr Arnaud sie an, »oder ich schlage dich bewusstlos. «
Erbarmen. Beides kam absolut nicht in Frage. Lieber würde sie wie ein Fisch im Arbeitszimmer ihres Vaters ausgenommen werden, als ganz allein an einem dunklen Ort zu sterben. Sie würde nicht nur in diese kalte, dunkle Höhle gehen müssen, sondern Michael würde Trevor auch gar nicht sagen können, wo der Zünder war - weil er das verdammte Ding über Bord geworfen hatte. Und die Bombe konnte er auch nicht entschärfen, weil … Erbarmen! Niemand würde je kommen, um sie zu suchen. Sie würde hier sterben. Im Dunkeln. Allein.
Ihr Atem kam in schnellen, keuchenden Zügen. Ihr Herz raste, kalter Schweiß bedeckte ihren Körper. Die Flut schob sie erbarmungslos vorwärts und drückte sie immer näher an diese Öffnung. »Arnaud, bitte …«
»Los, rein!« Arnaud stieß sie gegen die Schulter. »Jetzt!«
»Das hat doch gar keinen Sinn, Arnaud. Du hast doch Michael gehört. Nichts, was du oder Trevor tun, wird ihn dazu bringen, euch den Zünder zurückzugeben. «
»Trevor hat mir befohlen, dich nicht zu massakrieren. Er sagte aber nicht, dass ich dich nicht dazu bringen dürfte, es dir zu wünschen. Beweg dich! «
Sie hatte Schwierigkeiten zu atmen, als ihr Herz schmerzvoll loshämmerte. Bloß nicht! Verdammt noch mal, das war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für eine Panikattacke. »Ich ka-kann nicht«, keuchte Tally und rang vergeblich nach Luft. Zu spät. Der sonnige Tag wurde nebelig, als alles vor ihren Augen zu verschwimmen begann. »Ich tu-tue es nicht… br-bring mich jetzt u-um. D-denn so si-sicher … wie Go-ott kl-kleine, gr-grüne Äpfel sch-schuf, werde ich nie und nimmer da-da reingeh-gehen.«
Ergeben beobachtete Tally, wie Arnaud seinen Arm hob. Dann sauste in einem Wirbel aus Bewegungen der Kolben seiner Pistole auf ihre Schläfe herab.
Rings um sie her wurde alles schwarz.
Zwanzig
W ie gebannt hing Tallys Blick an dem Streifen, dem sehr schmalen Streifen fahlen Sonnenlichts, das durch die massive Felswand vor ihr fiel. Ihr Herz pochte so stark, dass es schmerzte, und sie atmete so schnell, als hätte sie gerade einen Kilometer in einer Minute zurückgelegt. Zudem konnte sie, verdammt noch mal, einfach nicht aufhören zu zittern.
Sie konzentrierte sich darauf, tief und gleichmäßig einzuatmen. Wenn sie hyperventilierte, würde sie ohnmächtig werden.
Himmel, noch mal, Arnaud, dieser Mistkerl, dieser Hurensohn, dieser Waschlappen hatte sie k. o. geschlagen. Sie hoffte, dass er ab sofort an einem Leistenbruch litt, weil er sie hineingetragen hatte. Als sie wieder zu sich kam, war er gerade dabei, ihre Handgelenke an ein Wandgeländer zu fesseln. Er machte sich davon und ließ sie auf den herausgehauenen Steinstufen am anderen Ende der Höhle zurück.
Die Stufe, auf der sie saß, war eiskalt und mit glitschigem Moos bedeckt. Aufgrund der Flut stiegen die kleinen Wellen an den rauen Lavawänden immer weiter nach oben. Das Wasser, durch das sie und diese Ausgeburt einer Ratte gewatet waren, hatte ihr bis zur Brust gereicht. Jetzt stand es noch höher.
Einatmen. Tief. Die Lungen füllen. Und halten.
Ausatmen. Langsam. Die Lungen leeren. Und halten.
Tally senkte den Kopf und versuchte, das Seil um ihre Handgelenke zu zerkauen. Die Hanffasern waren nass und schmeckten nach … Seil. Es gab keinen Millimeter nach. Die rauen Fasern schnitten in ihre zarten Lippen und ihren wunden Mund. Die neu aufsteigende Panik beeinträchtigte wieder ihre Atmung.
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