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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Duisburger wissen, und sah ehrliches Bedauern in ihren Mienen.
    Ich unterstrich die Nummer auf meinem Zettel, merkte sie mir vor als eine dieser raren, die man zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen kann. Wenn man mal sein Herz ausschütten möchte oder so.
     
    Ich sagte: »Aber du kannst doch wieder ins Hotel gehen.«
    »Nein, Kristof.«
    »Was die Rechnung angeht, da fällt mir schon was ein.«
    »Nein, Kristof.«
    »Dann komm mit mir. Wir ziehen in die Wohnung eines Freundes, der hat viel Platz.«
    »Nein, Kristof.«
    »Ich meine, der hat zwei Schlafzimmer, so dass du …«
    »Nein, Kristof.«
    »Dann bleibe ich mit dir hier.«
    »Nein, Kristof. Du weißt, das geht nicht.«
    Etwas in ihrer Art, in ihren Augen sprach das krasse Gegenteil, doch aus welchem Grund auch immer ›ging es‹ eben nicht, und dagegen kann man nicht anargumentieren. Versuchen schon.
    »Aber du kannst doch nicht ganz alleine …«
    »Doch, Kristof.«
    Und so ging es noch eine Weile hin und her. Anoushka bestand darauf, in Dimitrijs Wohnwagen zu übernachten, und zwar allein, und obwohl ich den Gedanken hasste, sie so zurückzulassen, unbewacht, war sie nicht umzustimmen, verwies auf die Pistole, die sie bei sich trug, und auf das Handy, mit dem sie mich zu rufen versprach, sollte ihr irgendetwas nicht ganz geheuer vorkommen.
    Ich fragte sie noch nach dem »Wort«, doch sie konnte sich auch keinen Reim drauf machen.
    Schließlich schob ich ab. Auf dem Weg zum Wagen stoppte ich noch kurz bei Leonid, wollte ihn bitten, ein Auge auf meine Klientin zu haben, doch der Übersetzer hatte seinen freien Tag genutzt, sich mindestens ein schönes Fläschchen einzutrichtern, und war stier jenseits jeder Ansprechbarkeit.
    Ich lungerte noch eine Weile herum, suchte die Umgebung des Platzes nach verdächtigen Fahrzeugen ab, inspizierte einen im Gebüsch parkenden Opel, schreckte damit ein Pärchen beim Rammeln auf und musste mich als Wichser beschimpfen lassen, bis mir irgendwann klar wurde, dass, sollte Anoushka bei Scuzzi anrufen, ich besser auch da wäre, um abzunehmen. Also stieg ich ins Auto und fuhr in die beginnende Nacht nach Oberhausen.
     
    Noch keuchend vom Aufstieg griff ich mir Scuzzis Telefon und wählte meinen Anrufbeantworter an.
    »Ann -ruf (Die Ansagestimme meiner Bandmaschine wirkt, als ob man dafür extra einen menschenähnlichen Roboter gebaut und ihm dann äußerst mühsam das Sprechen antrainiert hätte) Numm-mer eins: « Jaulen eines Elektrogeräts, feucht-fettige Schlürfgeräusche wie von einer Kröte, die Pudding schlabbert. »Jaa, Dr. Korthner hier, Katholisches Krankenhaus. Rufen Sie mich doch mal zurück, Herr Kryszinski. Ich möchte Ihnen da etwas zeigen.« Das elektrische Jaulen verebbte. Die Schlürfgeräusche gingen unvermindert weiter. Freisprecheinrichtung über dem Seziertisch, vermutete ich. »Wird Sie interessieren.«
    Die nächsten fünf Aufnahmen gaben nichts wieder als jeweils rund eine halbe Minute schweren Atmens. Ich war richtig froh, als im nächsten Mitschnitt Mendens Stimme ertönte, auch wenn er nur in einem flachen, genervten Monoton meinen sofortigen Rückruf verlangte.
    Schließlich brachte ich noch den zu erwarten gewesenen Schwall von Drohungen hinter mich, den Vonscheidt auf Band hinterlassen hatte, dann kam noch dreimal der Schwere Atmer, dann war Schluss, ich legte auf und zuckte zusammen, als das Telefon bimmelte.
    »Ey, Kristof, mein Junge, schön dich am Apparat zu haben, ewig nicht gesehen, warst du das, der mir da heute Mittag auf die Mailbox gequatscht hat? Was’s denn mit dir los? Schlecht drauf oder was?« Scuzzi. Er klang gleichzeitig stoned wie ein Rastafari, aufgekratzt-euphorisch wie ein Raver und angesoffen wie … wie irgendwas für gewöhnlich Angesoffenes, das mit R anfängt. Also eigentlich wie immer. »Was machst’n bei mir?«
    »Ausweichquartier. Sag mir mal dein Passwort«, verlangte ich.
    »Passwort?«
    »Ja, dein Passwort. Für deinen Rechner.«
    »Ach so. Passwort.«
    »Ja, dein Passwort. Ich warte.«
    »Mann, ich sag doch, Passwort.«
    Alles verschossen, dachte ich. Das ist es, das ist die Wahrheit über jahrelangen, wahl- und bedenkenlosen Drogenkonsum. Irgendwann ist da oben alles weggeblasen, und ab da kannst du die einfachsten Fragen zur Person nicht mehr beantworten. Erschütternd.
    »Als da stand: ›Tragen Sie hier Ihr Passwort ein‹, da hab ich eben ›Passwort‹ eingetragen, verstehst du?« Und er lachte ein bisschen, wie man das so macht, wenn man sich witzig

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