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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Anoushka, beziehungsweise »einer Freundin«, und dem Wohnwagen gesagt hatte, und selbst wenn, war das immer noch nach dem Anschlag gewesen.
    »Die einzige Erklärung, die mir dazu einfallen will, ist die, dass uns jemand gefolgt ist.«
    »Die Männer aus deinem Appartement?«
    »Vermutlich, auch wenn ich mir nicht erklären kann, wie. Ich hab die ganze Fahrt hierher nach hinten gesehen, und …« Ich verstummte. Ein Motorengeräusch, ein Fahrzeug schlich heran, über den Weg, den ich gekommen war. Ein Fahrzeug ohne Licht.
    »Hast du die Pistole noch?«, fragte ich hastig.
    Sie schüttelte den Kopf. »Sinnlos. Die Munition war alle.«
    »Ins Auto!«
    Wer immer da näher kam, war noch außer Sicht. So wie wir für sie. Mit ein bisschen Glück … Ich trat aufs Gas. Ließ die Scheinwerfer aus, verzögerte mit der Handbremse, um uns nicht durch das Bremslicht zu verraten, und stach in einen Reitweg, nur eine Sekunde oder so, bevor unsere Verfolger alle Heimlichkeit aufgaben und die Gegend mit ihrem Fernlicht bestrichen.
    Der Smart wühlte sich durch den losen Boden, peitschte durchs Geäst, rumpelte über das Wurzelwerk und wollte in jeder gottverdammten Kurve geradeaus, es war entnervend. Ich ging vom Gas, als das weiße Gleißen in meinem Spiegel roten Punkten wich, sah auch die verschwinden und lachte leise und nervös. Abgehängt.
    »Was lachst du?«
    Der Reitweg mündete in einen breiten Wanderpfad, und ein Schild wies uns den Weg zu einem Parkplatz. Perfekt. Rasch, aber leise und ohne unnötiges Drama steuerte ich den Parkplatz und damit die nächste Straße an.
    »Also, was ist so lustig?«
    »Als ich noch klein war, wollte ich immer der Fluchtwagenfahrer einer Bankräuberbande werden, und in manchen Augenblicken habe ich das Gefühl, das war gar keine schlechte Id …«
    Das Licht aus vier voll aufgedrehten Xenon-Scheinwerfern traf mich an der Schläfe wie ein Hieb mit einer Kohlenschaufel. Das war ein großes Auto, das sich da rasend schnell näherte. Auf der Straße hätten wir dagegen nicht die geringste Chance. Weder zu entkommen noch irgendeine Form von blecherner Gegenwehr zu leisten. Also gab ich es auf, den Parkplatz erreichen zu wollen. Stattdessen riss ich das Steuer andersherum, die verdammte Scheißkarre wollte wieder geradeaus, nur mittels rabiatesten Einsatzes von abwechselnd Gas und Handbremse bekam ich sie in die Richtung gezwungen, in die ich wollte, in die wir mussten. Unsere einzige Chance.
    »Mülheim 13,8 km« stand in roter Schrift auf dem weißen Hinweisschild mit dem kleinen, roten Fahrrad drauf.
    »Suche und finde den Vorteil in den Mitteln, die du hast«, hat irgendein berühmter Stratege mal formuliert und »anstatt zu lamentieren« höflich weggelassen.
    Unser Auto ist klein, dachte ich, dieser Weg ist ein Radweg, und um nach Mülheim zu kommen, muss er die Autobahn queren. Überqueren, wie ich nur ein paar vollgasige hundert Meter später feststellen durfte, mittels einer außerordentlich schlank gestalteten Brücke. Zu schlank, war mein erster Eindruck, viel zu schlank mein zweiter, der an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Beschilderung nach obendrein ausschließlich Radlern und Fußgängern vorbehalten, was noch die Frage der Tragfähigkeit in die Waagschale warf, und ich wollte eigentlich Gas wegnehmen für einen Moment des Innehaltens, des Nachdenkens über mögliche Alternativen, einen Moment, den wir nicht hatten, nicht mit den Verfolgern nun direkt im Genick, weshalb mein Gasfuß sich auch nicht hob, nicht mal, als beide Außenspiegel des Smarts an den Geländerstäben der Brücke entlangschnarrten wie einst die Eisstiele an den Speichen meines Fahrrades, damals, als ich noch Fluchtwagenfahrer werden wollte. Als ich noch nicht ahnte, was für ein gottverdammter Stress das unter Umständen ist.
    »Meinst du, wir sind sie los?«
    »Ja«, sagte ich, nach einem Blick in den als einzigem verbliebenen Innenspiegel. Der Strahlenkranz der Schweinwerfer unserer Verfolger schien unbeweglich in den Himmel, sie waren entweder zwischen den Geländern stecken geblieben oder hatten vorher angehalten, doch wie auch immer: »Sie müssen jetzt einen Weg auf die andere Seite der Autobahn suchen, und bis sie den gefunden haben, sind wir über alle Berge.«
    Falls der Sprit reicht, dachte ich im Stillen nach einem Blick auf die Anzeige, und wo immer das sein mag, rätselte ich, über alle Berge, denn mal abgesehen von Scuzzis Wohnung wollte mir nichts, aber auch gar nichts einfallen, wohin wir

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