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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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uns flüchten könnten.
    »Kristof, meinst du, wir haben Zeit, mal eben kurz anzuhalten?«
    Ich sah sie an, begriff und sagte: »Klar.« War vielleicht gar keine schlechte Idee. Noch waren wir inmitten des Duisburger Waldes, könnten uns mitsamt Auto in die Büsche schlagen und eine Weile versteckt bleiben, bis unsere Verfolger sich endgültig verzogen hatten. Irgendwie war mir nicht danach, gerade jetzt ohne Sprit liegen zu bleiben, und den Nerv, eine neonhelle Tankstelle anzusteuern, den hatte ich auch nicht.
    Also bog ich in einen stillen, asphaltierten Waldweg ab, von da in einen noch stilleren nicht asphaltierten, nahm eine kleine Brücke über einen Bach und rollte schließlich auf eine grasbewachsene Lichtung, wo ich unter den Ästen einer alten Eiche parkte. Kuschelig. Leise Musik, drei konisch gewickelte Blättchen, suchende Finger an Knopfleisten, sachtes, ermutigendes Keuchen im Ohr …
    Anoushka hatte es jetzt eilig, aus dem Auto zu kommen.
    »Lass doch den Koffer hier«, schlug ich vor, praktisch veranlagt, wie man ist als Mann, doch nein, sie nahm ihn natürlich mit. Wie man so ist als Frau.
    Die Nacht war vorbei, ging mir auf, der Himmel plötzlich milchig-hell, und ich spürte meine Lider, die sich rau anfühlten und drückend, wie Sandsäcke auf den Augäpfeln. Eine frühe Biene summte durchs eine Fenster herein und, nach einer kurzen Inspektionsrunde, durchs andere wieder raus. Die Waldvögel begannen zu lärmen, irgendwo rauschte eine Autobahn, und ich wollte gerade aussteigen und meine verkrampften Glieder lockern, als ich das Motorengeräusch wahrnahm.
    »Anoushka!«, hallte noch von den Baumreihen wider, da saß sie schon wieder neben mir, und der Dreizylinder knurrte auf.
    Sie waren, wie vermutet, wie jetzt zu erkennen war, zu zweit. In einem grauen Audi A6. Mit schwarz getönten Scheiben und vermackten Felgen. Letzteres konnte ich nicht sehen, aber ahnen, anhand der Art, wie der bebrillte Fahrer den Wagen über Stock und Stein prügelte, während der Beifahrer seinen Ellenbogen aus dem Fenster und etwas in der Hand hielt. Etwas, das ich nicht näher erkennen konnte. Und wollte.
    Ich war so was von vor den Kopf geschlagen, so vollkommen überrascht, dass ich keinen klaren Gedanken zu fassen bekam, sondern von meinen Instinkten getrieben wurde, und die wollten blindlings zurück zur Autobahn, zurück zu der Fußgängerbrücke, den Stunt von vorhin wiederholen, obwohl alles, was wir damit erreicht hatten, ein Aufschub gewesen war, bevor …
    »Aber wie konnten sie uns hier finden, Kristof?«
    Hitze packte mich, zusammen mit dem Begreifen. Mit dem Begreifen, nicht entrinnen zu können.
    »Wir haben einen Tracker am Auto, einen gottverdammten Scheiß-Tracker!«
    »Was ist das?«
    »Ein Sender! Die Typen finden uns über Satellit!«
    Sie hatten mich vorgeschickt, Anoushka zu finden, und jetzt wollten sie uns beide fertigmachen.
    Der hochaufgeschüttete Fahrbahndamm der A 3 kam in Sicht, und die vollkommen nutzlose Information, dass es einen Tunnel braucht, um ein Auto mit Ortungssender zu verstecken, blinkte auf im Chaos meiner Gedanken, vollkommen nutzlos, wenn die Verfolger in Sichtweite hinter einem sind und aufholen.
    Und ich finde die blöde Brücke nicht wieder, wurde mir mit diesem bleiernen Gefühl des Versinkens klar, als mein suchendes Auge in eine Öffnung tauchte, eine Öffnung im Fahrbahndamm, einen ha! Tunnel, einen – ich fuhr schon drauf zu, schlingernd im Schotter – Tunnelchen, eher, einem Serviceschacht, sehr schmal, viel zu schmal, doch scheiß drauf, wir …
    »Kristof, das ist zu eng!«
    »Ach was, wir haben es einmal geschafft, wir schaffen es auch ein zweites …«
    »Kristof!«
    Knuff. Knirschsch.
    Ich hob mein Gesicht vom Lenkrad und ein bisschen Blut lief mir ins Auge. Die Airbag-Abdeckung war abgefallen. Automatisch griff ich mir den versteckten Schlüssel.
    Ich sah Anoushka an. Sie schien okay, bis auf eine flammend rote Wange, wo sie mit dem Gesicht gegen den Koffer auf ihrem Schoß geklatscht war.
    Feuchte Tunnelluft schlug uns entgegen, durch die breite Öffnung, die bis gerade eben noch von unserer Frontscheibe verdeckt gewesen war. Bevor der Aufprall sie am Stück herausgehauen hatte.
    »Los, raus!«, kommandierte ich, und wir krabbelten durch den Windschutzscheibenrahmen nach vorn ins Halbdunkel der Röhre, begannen sofort zu rennen. Auf halbem Weg sah ich noch mal zurück. Der Smart verstopfte den Tunneleingang wie ein Korken einen Flaschenhals.
    »Diesmal«,

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