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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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eine frisch verwitwete Lehrerin für Fremdsprachen mit einem seit drei Tagen abgelaufenen Kurzzeitvisum bei uns? Wenn sie nicht gerade ihre nicht registrierte Schusswaffe reinigt?«
    »Sie ist in Lebensgefahr, verflucht noch mal. Kommen Sie mir nicht so süffisant daher!«
    »Gut. Sagen Sie mir, wo sie ist, und ich nehme sie in Haft. Damit ist sie vorläufig sicher.«
    »Vorläufig«, echote ich, mit dem ganzen, geballten Mangel an Begeisterung, den ich aufbringen konnte.
    »Das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann.«
    »Schwachsinn! Das ist alles, was Sie mir anbieten wollen! Sie sind angefressen, weil ich nicht immer tanze, wenn Sie pfeifen, nur deshalb machen Sie mir jetzt das Leben schwer. Das ist billiger Revanchismus, Menden, und zynischer obendrein!«
    »Nein, Kryszinski, das ist Alltag in einer Behörde wie der unseren. Nur zu Ihrer Information: Man hat mir den Fall entzogen.«
    Ich glaube, ich machte: »Hä?«
    »Die Akte Jalnikov, Dimitrij, mitsamt allen Unterlagen, Aussagen, Gutachten und Kommentaren ist an einen anderen Dienst gegangen.«
    »Anderer Dienst?«, echote ich.
    »Die reine Tatsache, dass ich hier sitze und mit Ihnen rede, dürfen Sie als persönlichen Gefallen werten. Genauso wie meine Erwähnung eines ›anderen Dienstes‹. Mein oberster Dienstherr persönlich hat mir den Fall entzogen und mir de facto verboten, mich in egal welcher Weise weiter damit zu beschäftigen. Haben Sie sonst noch Fragen?«
    Ich fühlte eine plötzliche Ruhe. Vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden hat oft diese Wirkung auf mich.
    »Keine Fragen«, antwortete ich. »Aber ich möchte, dass Sie eine Anzeige für mich aufnehmen. Es handelt sich um den Fahrer eines PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen D-MM 3881.«
    Leicht zu merken und selbst verkehrtrum im Rückspiegel abgelesen kaum zu verwechseln.
    »Mit welcher Begründung?«
    »Nun«, ich machte keinen Hehl aus meinem Zögern, »sagen wir: Verkehrsdelikt.«
    Er nickte. »Fabrikat?«
    »Audi A6, neueres Baujahr, Farbe: Grau.«
    »Alle Audis sind grau«, sagte Menden, notierte sich das Kennzeichen und ging aus dem Raum.
     
    Das Mann/Frau-Kontrolleursteam arbeitete sich Fahrgast für Fahrgast auf mich zu. Sitzplätze waren beim Einsteigen schon keine mehr frei gewesen, also stand ich, hielt mich so gut es ging an einer Stange senkrecht und stellte stille Betrachtungen an über die abenteuerliche Diskrepanz zwischen gefordertem Fahrpreis und gebotenem Fahrkomfort, während die Straßenbahn schlingernd, schaukelnd, quietschend ihre eisernen Fahrspuren entlangrumpelte.
    »Das von Ihnen angegebene Kennzeichen ist weder dem Straßenverkehrsamt Düsseldorf noch dem Zentralregister des Kraftfahrtbundesamtes bekannt. Mit anderen Worten: Entweder, Sie haben sich vertan, oder es handelt sich um eine gefälschte, eine Fantasienummer.«
    Das war die Einleitung meiner Verabschiedung aus Mendens Büro gewesen.
    Der männliche Kontrolleur machte den umgänglicheren Eindruck, während sie die verbiesterte Miene eines der Aufgabe völlig unangemessenen Ehrgeizes zur Schau trug. Es konnte keinen Zweifel geben, an wen ich geraten würde.
    Eine Gleisbaustelle zwang unsere Bahn zu einem längeren Verweilen ohne die Möglichkeit des Aussteigens. Weil ohne Bewegung auch die einzige, eh schon schwächliche, fahrtwindabhängige Belüftung völlig versagte, konnte die Nachmittagssonne die Blechröhre aufheizen, bis man sich Gedanken über den Koagulationspunkt menschlichen Eiweißes zu machen begann.
    Die Biestige war nur noch eine Handvoll Mitleidender von mir entfernt. Sie schien es eilig zu haben, bis zu mir vorzudringen.
    Man kann diese Türen auseinanderdrücken, doch gebricht es, wenn man mich fragt, dem Davonlaufen vor einer kurzen, vierschrötigen, mittelalten städtischen Angestellten irgendwie an Mannhaftigkeit.
    Mein eigentlicher Abschied aus dem Präsidium hatte aus einem – Klinke schon in der Hand – kühl hinterhergeschickten Ratschlag bestanden, mich augenblicklich in größtmögliche räumliche wie berufliche wie emotionale Distanz zum Fall Jalnikov zu begeben, gefolgt von der Erinnerung, dass ich dem Hauptkommissar in einer anderen Sache noch ein paar Recherchen schuldig sei.
    »Fahrscheinkontrolle!« Ausbilder bei den Marines schlagen gerne diesen Ton an. Der Blick, den mir die Kontrolleurin auf ihre Legitimation gönnte, war von brüskierender Flüchtigkeit.
    »Moment!« Ich bedeutete ihr, den Ausweis noch mal sehen zu wollen, studierte ihn, nickte schließlich

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