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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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um dich … na ja, auszuweinen …«
    »Erst nach meinem Tod, Kristof«, kam es von der Tür her, kühl und milde amüsiert. »Das weißt du doch. Dieses lose Weib hier kann dir erzählen, was sie will, doch ich rate dir, lass dir erst meinen kalten, starren Leib zeigen, fühle meinen Puls, checke meine Atmung. Erst wenn du dich überzeugt hast, dass ich wirklich tot bin, erst dann kannst du dich sicher fühlen, meine Nachfolge anzutreten. Und bis dahin …« Er nahm sie um die Taille, wuchtete sie sich über die Schulter und schritt ruhig zur Treppe hoch zum Schlafzimmer. Kurz bevor sie um die Ecke bogen, hob Marion noch mal den Kopf, hauchte mir einen Kuss und warf mir einen Blick zu, der mir die Zähne aus dem Reißverschluss und das Stretchband aus der Unterhose rupfte. Und die Senkel aus den Schuhen, wo ich schon mal dabei bin.
    Die Wahrheit ist, ich hätte Charly schon längst gekillt und beerbt, wenn ich nicht so einen Schiss vor dem hätte, was passieren würde, sollte der Anschlag schiefgehen.
    Es schien abgemacht, dass keiner von beiden so bald wieder auftauchen würde, also machte ich es mir bequem, lockerte mir den Gürtel und griff mir … das Telefon.
     
    »Hedgesleeper Software Solutions.«
    »Heckenpennes, bist du das? Hier ist Kristof.«
    »Kristof, hör zu, nimm’s mir nicht krumm, aber es wäre mir lieber, wenn du mich mit meinem richtigen Namen ansprechen würdest.« Ich war ein wenig baff, und nicht nur, weil mir sein bürgerlicher Name momentan nicht einfallen wollte. Schließlich hat Heckenpennes sich seinen Spitznamen in langen Jahren voll großer Bögen rings um Artikel körperlicher Hygiene mühsam erworben.
    »Heckenpennes passt einfach nicht länger zu einem Mann, der, wenn die Gerüchte stimmen, schon bald zum Jungunternehmer des Jahres gewählt werden wird.«
    Und es zu gleicher Zeit quasi nebenher zu einem eigenen Softwareunternehmen gebracht hat.
    »Warum«, entgegnete ich, »soll’s dir besser ergehen als mir? Mich nennen sie auch immer noch Krüschel, ob’s mir nun passt oder nicht. Gegen Spitznamen muss man sich von Anfang an zur Wehr setzen. Nimm zum Beispiel Tina.«
    »Die Webpelzschabracke? Tolles Beispiel.«
    Von oben kamen Schreie und die ganze Geräuschpalette des Klagens, Stöhnens, Schluchzens, das den Sexualakt ab einer gewissen Intensität akustisch so schwer von einem Akt der Gewalt zu unterscheiden macht.
    »Na ja. Aber geh mal hin und sag’s ihr ins Gesicht.«
    »Kristof, du redest Blech, auch wenn ich ahne, was du sagen willst.«
    Marions Lautäußerungen waren kehlig, brünftig und selbstvergessen. Oder aber ganz bewusst für meine Ohren bestimmt, zuzutrauen war’s ihr.
    »Ja, ich bin etwas abgelenkt«, gab ich zu und trat vors Haus, hockte mich auf die Schwelle und blinzelte in den rot im Smog versackenden Feuerball. »Doch warum ich eigentlich anrufe, ist Folgendes: Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
    »Lass mich raten.«
    »Du sollst was für mich erhacken, zu dem ich selbst zu doof bin.«
    »Das hört sich erst mal nicht weiter schwierig an.«
    »Danke«, sagte ich gallig, dann fütterte ich ihn mit den Details und schloss mit dem Rat, nichts vom eigenen Rechner aus zu starten. Menden hatte den »anderen Dienst« bestimmt nicht ohne Grund erwähnt.
    »Okay, okay. Ich mach’s, aber ich mach’s nicht umsonst. Du kennst meine Währung.«
    »Einverstanden. Ich besorg dir was.« Damit hängten wir ein.
    Einfach fünf Etagen hoch und eine bestimmte Schublade aufgezogen. Leicht versprochen, noch leichter gehalten.
     
    »Am besten bringst du sie außer Landes, Kristof.«
    Charly war alleine wieder runtergekommen, und ich hatte ihm die ganze Geschichte erzählt, in allen mir wichtigen Details. Wahrscheinlich einzig zu dem Zweck, jemanden zu haben, der meine heimlicheren Gedanken aussprach. »Flieg nach Mallorca, überrede einen Segler, euch nach Ibiza überzusetzen, nimm die Fähre nach Barcelona, den Zug nach Madrid, Flugzeug nach Gran Canaria und von da aus noch ’ne Fähre nach Gomera, wo ihr bei Scuzzi einzieht.«
    Genau. Genau das machen wir. Und Dimitrijs Leiche? Die nehmen wir einfach mit, wenn’s denn sein muss.
    »Geld für die Reise kann ich dir leihen.«
    »Danke, echt nett von dir, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass du noch viereinhalb von mir kriegst.«
    Charly zuckte die Achseln, machte eine wegwerfende Handbewegung. Er ist ein blonder Hüne mit kühlen blauen Augen und einem warmen Grinsen, Chef der Stormfuckers auf Lebenszeit, so

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